Academy Awards

So muss Technik: Oscar für Hamburger Filmspezialisten

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Birgit Reuther

Foto: Marcelo Hernandez

In L.A. wird Peter Braun für seine Towercam geehrt. Ein Gerät, an dem die Kamera auf und ab sowie um die eigene Achse fahren kann. Es kam bei vielen Filmen zum Einsatz, etwa „Only Lovers Left Alive“.

Hamburg. Für die Magie eines Films braucht es eine gute Geschichte, eindringliche Darsteller, eine beherzte Regie. Klar. Doch die Magie eines Films entfaltet sich auch durch die Technik. Durch Schnitt, Ton, Kameraführung. Kunst und Handwerk, Intuition und Gerät wirken mit- und ineinander. Eindrucksvoll zu sehen ist das in der Eröffnungssequenz von Jim Jarmuschs Drama „Only Lovers Left Alive“ von 2013. Analog zu einem rotierenden Plattenspieler kreist die Kamera langsam von oben auf die Hauptdarsteller Tilda Swinton und Tom Hiddleston herab. Er liegt, von Instrumenten umgeben, auf einem Sofa. Sie ruht, von Büchern umringt, auf ihrem Bett. Das gesamte Interieur der beiden Bohème-Räume lässt sich im Detail betrachten und entfaltet in der Drehbewegung gemeinsam mit der Musik einen faszinierenden Sog.

Diese cineastische Magie wurde ermöglicht durch eine Erfindung des Hamburgers Peter Braun. Der Technikpionier hat ein teleskopartiges Gerät entwickelt, an dem die Kamera nicht nur auf und ab fahren, sondern sich auch um die eigene Achse drehen kann. Für diese Towercam Twin Peek, die sich turmartig aufstellen oder kopfüber aufhängen lässt, erhält Braun nun die populärste Auszeichnung der westlichen Filmwelt, den Oscar. Dementsprechend groß ist die Freude an der Koppel in St.Georg, neben Berlin Sitz seiner Firma Mad About Technology, kurz MAT.

„Ich kann es selbst noch gar nicht so richtig fassen. Ich bin begeistert, so eine Anerkennung zu erfahren, und ich freue mich nach fast 40 Jahren MAT gemeinsam mit meinem Filmtechnik-verrückten Team natürlich riesig über diese Ehre“, sagt Braun, der in den 1970er-Jahren über einen Studentenjob als Requisitenfahrer zum Film kam. Damals beobachtete er, wie Kameras umständlich bewegt werden mussten, und er hatte die Idee, filmische Räume leichter und spielerischer zu erschließen.

Bei James Bond und Harry Potter im Einsatz

Seine Entwicklungen kamen bereits bei zahlreichen Produktionen zum Einsatz, etwa bei Wim Wenders’ Tanzfilm „Pina“, beim James-Bond-Film „Casino Royale“, beim Fantasy-Abenteuer „Harry Potter und der Orden des Phönix“ oder beim Drama „The Help“.

Eine Goldstatue kann sich der Spezialist für Kamerabewegung zwar künftig nicht in die Vitrine stellen, aber dafür ein Zertifikat an die Wand hängen. Denn der Oscar, mit dem die Academy of Motion Picture Arts and Sciences ihn ehrt, ist einer für technische Verdienste. Seit 1931 wird dieser Academy Technical Achievement Award vergeben, er würdigt herausragende Leistungen, durch die filmische Geräte und Methoden verbessert wurden. Am 7. Februar wird Braun die Auszeichnung bei einer Gala in Beverly Hills entgegennehmen.

In einer anderen Welt, in der das Starsystem Hollywoods nicht so ausgeprägt wäre, würden auch all die Erfinder, Techniker und Nerds bei der Hauptverleihung am 22. Februar in Los Angeles über den roten Teppich laufen. Aber ein Kameraturm, der sich fernsteuern und bis zu 7,5 Meter ausfahren lässt, versprüht für die meisten nun mal nicht den gleichen Sex-Appeal wie das Lächeln eines George Clooney oder der Auftritt einer Angelina Jolie. Da die Stars jedoch sehr wohl wissen, dass sie ohne all die Apparate niemals so gut in Szene gesetzt würden, werden vor dem Start der Oscarshow im Dolby Theatre Szenen der Technikgala gezeigt.

Und die Macher am Set sind ohnehin äußerst angetan von der Maschinerie aus Hamburg. „Fantastisch!“, urteilt etwa Carter Logan, Co-Produzent von „Only Lovers Left Alive“. „Die Aufnahmen sind wunderschön. Viele Leute haben uns gefragt, wie wir diese Szenen gedreht haben. Ohne die Towercam wäre das so nicht möglich gewesen.“

Beim Rennen um die Goldstatuen hat Braun seine ganz eigenen Favoriten: „Jetzt drücke ich vor allem noch Wim Wenders und dem auch für einen Oscar nominierten Kameramann Robert Yeoman die Daumen, der die Towercam für Szenen im ebenfalls nominierten ‚The Grand Budapest Hotel’ einsetzte.“