Der Dramatiker Lutz Hübner schrieb mit „Frau Müller muss weg“ einen Bühnen-Hit. Auch für die gleichnamige Kinokomödie ist er mitverantwortlich.

Berlin/Hamburg. Schon in den 90er-Jahren hatte sich Lutz Hübner einen Namen als Theaterautor gemacht. Stücke wie „Das Herz eines Boxers“, „Gretchen 89ff“ oder auch „Creeps“ richteten sich an ein jugendliches Publikum. In diesem Jahrtausend hat er sich mit Werken wie „Bankenstück“ (über den Berliner Bankenskandal), die Farce „Die Firma dankt“ und vor allem mit „Frau Müller muss weg“ zu einem der meistgespielten deutschen Gegenwartsdramatiker entwickelt. Der Sozialgroteske über Eltern, die die Lehrerin der vierten Klasse absetzen wollen, weil sie ihren Kindern aufgrund schlechter Zensuren den Weg aufs Gymnasium zu verbauen droht, hat sich seit 2012 auch im Hamburger Theater Kontraste zu einem Dauerbrenner entwickelt. Die Komödie lief schon auf mehr als 50 deutschen Bühnen, Tendenz steigend – so genau weiß es Hübner selbst nicht. Am Donnerstag startet „Frau Müller muss weg“ mit Starbesetzung (u.a. Comedy-Queen Anke Engelke, Thalia-Schauspielerin Gabriela Maria Schmeide, Justus von Dohnanyi) bundesweit im Kino. Regie führt Sönke Wortmann („Das Wunder von Bern“). Auch für die Leinwandfassung ist Lutz Hübner neben seiner Frau Sarah Nemitz als Drehbuchautor mitverantwortlich.

Hamburger Abendblatt: Herr Hübner, bisher kamen Filmstoffe oft erst später als Theaterstücke auf die Bühne. Wie sehr gebauchpinselt fühlten Sie sich, als die Anfrage kam, dass aus „Frau Müller muss weg“ ein Kinofilm werden soll ?

Lutz Hübner: Das war natürlich eine großartige Nachricht. Es ist ungeheuer spannend, eine Geschichte, die man erfunden hat, noch einmal in einem anderen Medium zu sehen und dadurch einen neuen Blick darauf zu bekommen.

Welche Vorteile hat es, dass Sönke Wortmann, der ja eher beim Film als auf der Bühne tätig ist, Ihr Stück schon mal fürs Berliner Grips-Theater inszeniert hat?

Hübner: Ich denke, man kann tiefer in einen Stoff und die Charaktere eindringen, wenn man sich schon mal sechs Wochen intensiv damit beschäftigen kann, bevor der Stress der Dreharbeiten beginnt. Auf jeden Fall haben Sarah und ich gemerkt, dass er beim Dreh die Figuren und Situationen genau kennt.

In Hamburg läuft das Stück im Theater Kontraste bald zum 200. Mal, es ist ein Dauerbrenner. Droht im Kinofilm nicht der Charakter des Kammerspiels verloren zu gehen – Stichwort Action …?

Hübner: Es ist weiterhin eine kammerspielartige Geschichte – explodierende Autos hätten einfach nicht gepasst. Dafür kann man jetzt die Geschichte über den Mikrokosmos eines ganzen Schulgebäudes erzählen, dazu gibt es die Figur eines etwas undurchsichtigen Hausmeisters. Dadurch bekommt die Geschichte einen anderen Charakter und ist trotzdem wiedererkennbar.

Wie erklären Sie sich den großen und anhaltenden Theatererfolg seit der Uraufführung 2010 in Dresden?

Hübner: Anscheinend haben Sarah Nemitz und ich da ein Thema erwischt, das viele Menschen beschäftigt. So etwas wünscht man sich als Autor natürlich immer, aber kalkulieren kann man so etwas nicht – es ist eine Mischung zwischen Glück und Timing. Ausgangspunkt waren eigene Erlebnisse bei Elternabenden: Erst leidet man an den absurden Debatten, dann merkt man irgendwann, dass das eine sehr theatralische Grundsituation ist.

Waren die Elternabende in Berlin Ihre einzigen Inspirationsquellen? Und sind die verschiedenen Charaktere bei der Eltern-Versammlung nicht Prototypen?

Hübner: Wenn man Eltern wird, wechselt man ja in die schaurig-schöne Parallelwelt, und da lernt man viele Mütter und Väter kennen, die zu Theaterfiguren inspirieren können. Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass es so viele unterschiedliche Elterntypen dann doch nicht gibt, das kann man schon auf einige Prototypen reduzieren. Davon abgesehen braucht eine Komödie, um zu funktionieren, ein gewisses Maß an Typisierung.

Inwieweit neigt das Ehepaar Hübner/Nemitz denn eigentlich selbst dazu, als sogenannte Helikopter-Eltern, sein Kind ständig zu umschwirren und überzubehüten?

Hübner: Auf einer Helikopterskala von 1 bis 6 würde ich uns eine 3 bis 4 geben, mit gelegentlichen Ausreißern zur 6. Die Psychodynamik ist ja oft so, dass, wenn der eine sich heftig sorgt, der andere lässiger wird. Dass beide Eltern vor Sorge durch die Decke gehen, passiert ja meist nur, wenn das Kind nachts eine Stunde oder länger nicht ans Handy geht. Die Einschätzung unserer Tochter, ob sie sich über- oder unterbetreut fühlt, hängt von der Tagesverfassung ab.

Ist Schule noch Abbild der Gesellschaft?

Hübner: Ich bin mir nicht sicher, ob sie das je war. Heute ist sie oft Trainingsgelände für den Arbeitsmarkt, Reparaturwerkstatt für soziale Probleme und auch Versuchslabor für unausgegorene bildungspolitische Konzepte. Aber es gab und gibt immer Lehrer, die motivieren können, Vorbilder sind. Oder Klassengemeinschaften, in der lebenslange Freundschaften entstehen – da kann Schule ein utopisches Moment haben.

Würden Sie heute noch mal selbst gern zur Schule gehen – als Pfeiffer 3.0 à la „Die Feuerzangenbowle“?

Hübner: Nein, ich war damals heilfroh, als ich die Schule hinter mir hatte, ich glaube, ich war für meine Lehrer ein eher anstrengender Schüler. Ich kann mich noch gut an dieses taube Gefühl der stillstehenden Zeit während des Unterrichts erinnern. Abgesehen von einigen Lehrern, die mir Mentoren waren und bei denen ich gern gelernt habe.

Und welches Ihrer Theaterstücke wird als Nächstes verfilmt?

Hübner: Die Verfilmung von „Blütenträume“ (ein Tragikomödie über Best Ager, d. Red.) ist bereits fertiggestellt und wird dieses Jahr ins Fernsehen kommen. Andere Stoffe liegen bei Produzenten. Es sieht so aus, als ob die Arbeit für den Film weitergehen könnte.

„Frau Müller muss weg“ HH-Premiere (mit Sönke Wortmann und Gabriela Maria Schmeide), Mi 14.1., 20 Uhr, Abaton-Kino, Eintritt 8 €; www.abaton.de

Filmkritik am Do, 15.1., in der Abendblatt LIVE-Beilage

„Frau Müller muss weg“ bis 14.2. im Theater Kontraste/Winterhuder Fährhaus, Karten unter T. 48 06 80 80; www.theater-kontraste.de