Der Hamburger Kabarettist Horst Schroth möchte sich seine Meinungsfreiheit auch nach den Anschlägen von Paris noch leisten dürfen.

Hamburg. Wie viele Hundert andere Gäste war auch ich am späten Mittwochvormittag auf dem traditionsreichen Neujahrsempfang des Hamburger Abendblatts. Man traf sich, schwatzte, scherzte, man war charmant und manchmal sogar witzig. Und niemand hatte offenbar die leiseste Ahnung davon, was sich zur selben Zeit gerade in Paris zutrug.

Erst als ich wieder zu Hause war, erfuhr ich von diesem Mord. Und ich bin immer noch nachhaltig geschockt. Es ist ein ähnliches Gefühl wie damals am 11. September 2001. Und wie damals dauert es bei mir eine ganze Zeit, bis so eine schreckliche Nachricht wirklich ankommt. Aber etwas daran ist heute anders als vor 14 Jahren.

War es 2001 ein allgemeiner Angriff auf die USA, so hat diese Kriegserklärung vom 7.1.2015 einen ganz klaren Adressaten. Und dieser Adressat ist unsere Pressefreiheit, unsere Meinungsfreiheit, eines der höchsten Güter unserer Gesellschaftsordnung. Dieser Frontalangriff trifft uns alle mitten ins Herz.

Und besonders betroffen sind all die Menschen, die unsere Meinungsfreiheit als Journalisten, als Publizisten, als Politiker oder als Künstler in aller Öffentlichkeit ausüben. Ich bin Kabarettist. Und im Angesicht einer solchen Bedrohung von Leib und Leben kann ich mir gut vorstellen, dass sich nun etliche Menschen – wie auch ich – die Frage stellen, ob sie sich diese Meinungsfreiheit überhaupt noch leisten können. Denn nicht jeder hat sein Leben ausschließlich dem Beruf verschrieben und nicht alle können den Mut eines Stephane Charbonnier aufbringen, der ermordete Chefredakteur von „Charlie Hebdo“. Er hat schon vor zwei Jahren in einem Interview gesagt: „Ich habe keine Kinder, keine Frau, kein Auto, keinen Kredit. Es ist vielleicht ein wenig schwülstig, was ich jetzt sage. Aber ziehe es vor, aufrecht zu sterben, als auf Knien zu leben.“

Satire ist bedingungslos, gnadenlos, tabulos, anstandslos

Das Wesen der Satire ist bedingungslos, gnadenlos, tabulos, anstandslos, aber niemals witzlos. Und damit wird Satire zu einem hohen Kulturgut. Dass sie dann nicht jedem gefällt, das liegt in der Natur der Sache. Das ist von der Satire ja durchaus gewollt. Und wer damit nichts anfangen kann und Satire geschmacklos findet, der sollte sie einfach ignorieren.

In unserer Kultur ist es eine erstrebenswerte Fähigkeit, sich kritisch zu reflektieren, sich selbst zu hinterfragen und über sich selbst lachen zu können. Bei uns gibt es keine satirefreien Zonen. Und auch die Religionen sind davon nicht ausgenommen. Und das betrifft alle Religionen. Ausnahmslos! Alle!

Ja, das sagt sich jetzt so leicht. Trotzdem sitze ich jetzt hier mit meinen Selbstzweifeln und überlege gerade, ob es wohl politically incorrect oder gar rassistisch ist, wenn ich diesem Terrorkommando und seinen Freunden zurufe: „Wenn es euch hier in Europa nicht passt, wie wir leben, dann geht doch woanders hin, dahin, wo man euch besser versteht! “ Ich habe es eben nicht so leicht wie die Dschihadisten, die keine Selbstzweifel kennen und genau wissen, was richtig und was falsch ist. So leicht möchte ich das auch mal haben.

Der Satiriker Wolfgang Reus hat mal gesagt: „Wer glaubt, der richtige Mensch im falschen Universum zu sein, der sollte sich schon mal schön mit dem Gedanken anfreunden, dass er auch der falsche Mensch im richtigen Universum sein könnte.“