Seit 20 Jahren leistet sich die Staatsoper das Internationale Opernstudio. An diesem Sonntag feiert sie das Jubiläum mit einem Galakonzert

Hamburg. Wie bekommt man Küken auf die Bühne? Ganz, ganz behutsam. Auf diese Formel ließe sich das Erfolgsrezept einer Institution bringen, die an diesem Wochenende ihr 20-jähriges Bestehen mit einer richtigen musikalischen Sause feiert. Beim Galakonzert für das Internationale Opernstudio am Sonntagabend wirken Ehemalige wie die Sopranistinnen Christiane Karg und Inga Kalna mit, die als freischaffende Künstlerinnen beachtliche Karrieren hingelegt haben, aber auch Ensemblemitglieder der Staatsoper wie die Sopranistin Katja Pieweck oder der Bass Wilhelm Schwinghammer, die sich längst in die Herzen des Hamburger Publikums singen konnten. Und natürlich das Rudel der sieben aktuellen Schützlinge von Alexander Winterson, dem Leiter des Opernstudios. Unter der Leitung von Simone Young spielen die Philharmoniker lauter Schmankerl der gängigen Opernliteratur, die das Programm der Staatsoper so getreulich abzubilden pflegt: Arien und Ensembles aus „Carmen“, „Fidelio“ und „Così fan tutte“ etwa, ein bisschen Verdi und Strauss, ganz viel Wagner.

1994 riefen Peter Ruzicka und Gerd Albrecht, ehedem Intendant respektive Generalmusikdirektor der Hamburgischen Staatsoper, das Opernstudio ins Leben. Sie wollten jungen Sängern die Möglichkeit geben, nach dem Studium erste Erfahrungen mit dem ganz echten Opernleben samt Glanz, Gloria und den dazugehörigen Fußangeln zu sammeln. Damit gehörte Hamburg zu den ersten Häusern, die sich in dieser Weise auf die Förderung des Nachwuchses verpflichteten. Wie so oft zu den Zeiten des kongenialen Duos Ruzicka/Albrecht lag man ganz vorne im Trend. Heute gehören derartige Ausbildungseinheiten zum Standard.

Zwei Sopranistinnen, ein Mezzo, zwei Tenöre, ein Bariton und ein Bass gehören jeweils zu der Truppe. Die sieben werden aus einer dreistelligen Zahl von Bewerbern ausgesucht, jeder von ihnen kann zwei Jahre bleiben. Sie wirken im normalen Opernbetrieb mit und bringen jede Saison eine eigene Produktion heraus. Alte Sängerhasen und Regisseure geben Meisterkurse. Und den Feinschliff bekommen sie beim Studieren der Partien mit den Korrepetitoren des Hauses oder mit dem musikalischen Leiter Alexander Winterson.

„Es ist eine echte Win-win-Situation“, sagt Operndirektor Francis Hüsers. „Das Studio bietet den jungen Sängern einen Schonraum, um schon mal die große Bühnenluft zu atmen, aber ohne den ganz großen Druck.“ In freier Wildbahn kommt es dagegen durchaus vor, dass ein junger Tenor an einem mittelgroßen Haus sich mal eben sämtliche Partien für sein Stimmfach draufschaffen muss, die das Repertoire aufweist – und sie selbstverständlich auch zu singen hat. Stimmkrisen und vorzeitiges Ausscheren aus dem Beruf sind da programmiert.

Idealerweise können die Adepten während ihrer Zeit im Opernstudio die Rollen kennenlernen, die gerade zu ihrem Entwicklungsstand passen, und sich dabei Schritt für Schritt nach oben tasten. Nicht in allen Fällen hat das gepasst. Die Sopranistin Olga Peretyatko, die 2013 in Salzburg debütierte und längst Starstatus genießt, hat unter Simone Youngs Ägide vermisst, wovon ihre Vorgänger unter Ingo Metzmachers Stabführung reichlich profitiert hatten, nämlich mit lohnenden Rollen im Repertoirebetrieb mitwirken zu können. „Das war frustrierend“, sagte sie dem Abendblatt bei einem Interview.

Christoph Pohl hat andere Erfahrungen gemacht. „Ich habe einen Großteil meines Handwerks in der Zeit dort gelernt“, berichtet der gefeierte Sänger, der seit Jahren an der Dresdner Semperoper fest engagiert ist. „Wir haben viel gesungen, vielleicht sogar zu viel – aber der Beruf ist einfach so hart. Man muss sehr stabil sein und vielfältig agieren können.“

Natürlich decken die begabten Sieben auch „Wurzen-Rollen“ ab wie die des Giuseppe in Verdis „La Traviata“, der nur einmal das Abendessen ankündigt. Das gehört dazu. „Es ist gar nicht so ohne“, sagt Wilhelm Schwinghammer. „Man geht nur ganz kurz raus und hat diese drei Takte zu singen. Ich habe auch schon mal einen Satz vergessen. Solche Fehler passieren, aber sie werden verziehen.“

Missgünstige Zeitgenossen erheben gerne den Vorwurf, die Opernhäuser wollten auf diese Weise billige Kräfte an sich binden, etwa um nicht für jede noch so kleine Partie eine volle Gage zahlen zu müssen. Aber das verfängt nicht ganz. Die Stellen im Opernstudio sind im Vergleich zu den schmalen Gagen, die der „Normalvertrag Solo“ üblicherweise hergibt, großzügig dotiert. 1994 konnten Ruzicka und Albrecht die Körber-Stiftung und die Opernstiftung dafür gewinnen, den Löwenanteil zum Budget beizutragen.

Jaja, das waren noch goldene Zeiten. Aber das wirklich Schöne an dieser Geschichte ist, dass sie bis heute weitergeht. Die Geldgeber sind nach wie vor an Bord, und auch im hauseigenen Budget hat das Opernstudio jede Tarifsteigerung überstanden.

„Ob das Studio nach dem Weggang von Simone Young weiterbesteht, das weiß der künftige Intendant allein“, sagt Hüsers. Die Verträge für die ganz frischen Küken haben die jetzt Verantwortlichen aber, in Absprache mit Georges Delnon, bis 2016 geschlossen, um die zwei Jahre vollzumachen. Das ist doch ein gutes Zeichen.

Galakonzert 2.11., 18.00, Staatsoper. Restkarten unter T. 35 68 68