Hamburg. Dieser Herbst könnte die Jahreszeit von Rosamund Pike werden. Die britische Schauspielerin spielt die Hauptrolle in David Finchers „Gone Girl“, der am 2. Oktober in die Kinos kommt. Im August agierte sie in „Hectors Reise oder Die Suche nach dem Glück“ von Peter Chelsom. Am 20. November ist sie dann in der Komödie „Ein Schotte macht noch keinen Sommer“ von Andy Hamilton und Guy Jenkin zu sehen. Und irgendwann wird sie in dieser Zeit auch noch das Kind zur Welt bringen wollen, mit dem sie gerade schwanger ist.
Die Amy in „Gone Girl“ ist ein richtig saftiger Part. Die Frau ist abwechselnd schön, hässlich, wütend, einsam, gerissen und so richtig gemein. Pike hat die Protagonistin zusammen mit Fincher sozusagen psychologisch seziert. „Amy ist mit großen Erwartungen aufgewachsen und mag nicht dahinter zurückbleiben. Sie denkt, ihr steht etwas Besonderes zu. Sie ist einsam, sucht aber auch nicht gerade Freundschaft, sie ist sich selbst genug“, sagt Pike bei unserer Begegnung in einem Berliner Hotel. Das war bei ihr, die ein Einzelkind ist wie Amy, ganz anders. „Ich habe mir so sehr Geschwister gewünscht. Jeden Tag habe ich meine Mutter gebeten, ob uns nach der Schule nicht jemand besuchen könnte.“ Pike ist ziemlich behütet in London aufgewachsen. Beide Eltern sind Opernsänger. Als Kind war sie häufiger in Deutschland, weil ihr Vater, der Tenor Julian Pike, zum Freundeskreis von Karlheinz Stockhausen gehörte. Er trat auch auch in dessen Opern-Zyklus „Licht“ auf. Sie selbst steht eher auf Rock ’n’ Roll, Country und American Folk.
„Es wäre bestimmt gut für mich gewesen, wenn ich Brüder gehabt hätte, die mich auch mal geärgert hätten. Deshalb spiele ich wohl auch so gern Theater, weil man da eine chaotische Ersatzfamilie hat. Es ist dort nicht so überhöht wie in der Filmwelt, sondern sehr bodenständig.“ Am Royal Court Theatre in London hat die heute 35-Jährige zu Beginn ihrer Karriere im Stück „Hitchcock Blonde“ gespielt. Jetzt verkörpert sie selbst eine dieser kühlen Blondinen, auf die der Meister des Suspense-Thrillers so abgefahren war.
Aber Fincher ist natürlich ganz anders als Hitchcock. „Er gibt jedem Darsteller höchst präzise Anweisungen, wie man spielen soll. Jeder weiß hinterher mehr über seinen Charakter“, sagt Pike, die diese begehrte Rolle erst nach einem langen Casting-Prozess ergattern konnte. Mit einer Boxerin machte sie sich körperlich fit. Mit einem Sprach-Coach feilte die einzige Nicht-Amerikanerin unter den Schauspielern an ihrer Aussprache. „Einen anderen Akzent zu lernen ist wie eine andere Sprache zu lernen“, findet die Schauspielerin.
Aber das waren ja nur die Vorbereitungen. Sie hatte den Dreharbeiten entgegengefiebert und genau das holte sie am Anfang ein. „Ich hatte am ersten Tag fast 40 Grad Fieber, dabei sollte das doch der Höhepunkt ihrer Karriere sein. Ich musste um 4 Uhr morgens aufstehen, um in die Maske zu gehen, da hatte ich mich aber schon dreimal übergeben. Waren es die Nerven? Ich weiß nicht. Es war auf jeden Fall der schwierigster Drehtag meiner Karriere.“
Dabei lässt sie sich sonst gar nicht so leicht einschüchtern. „Ich sehe vielleicht zerbrechlich aus, aber bin es überhaupt nicht, schon eher kampflustig. Ich bin noch nicht genug herausgefordert werden.“ Wenn es nach ihr geht, soll sich das jetzt ändern. „Ich glaube, dieser Film ist der wirkliche Beginn meiner Karriere und hoffe, jetzt werden die Fluttore geöffnet. Die Zuschauer, die mich nicht auf der Bühne gesehen haben, könnten von den Filmen denken, dass meine Möglichkeiten eher eingeschränkt sind. Ich habe noch nie vorher so eine Bandbreite dargestellt wie in diesem Film.“ Hier stapelt sie ein wenig tief, denn seit sie 2002 in „Stirb an einem anderen Tag“ das Bond-Girl Miranda Frost verkörpert hat, konnte sie durchaus schon ihre Vielseitigkeit zeigen.
Und im kommenden Monat spielt sie an der Seite des schottischen Urgesteins Billy Connolly in „Ein Schotte macht noch keinen Sommer“. Die Komödie drehte sie gerade, als sie Fincher traf. „Man kann sich keine unterschiedlicheren Filme vorstellen. Ich musste mich um Kinder kümmern, es wurde sehr viel improvisiert. Wir haben von den meisten Einstellungen nur zwei oder drei Takes gedreht. Bei David waren es auch schon mal 95.“
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