Erst mit der Umstellung auf Krimis hatte das Imperial Theater in Hamburg Erfolg. Zum 20. Jubiläum feiert heute „Jerry Cotton“ Uraufführung

Hamburg. Der Intendant muss noch mal eben etwas einkaufen. Wohlgemerkt nicht shoppen gehen. Frank Thannhäuser entschuldigt sich, die Probe im Saal ist gelaufen. Oben, unterm Dach des Imperial Theaters, wird noch ordentlich gearbeitet. Florian Lienkamp, Alexander Beutel und Janine Krieger, der Geschäftsleiter, der Kulissenbauer (und Marketing-Mann) sowie die Regieassistentin (und Buchhalterin) sitzen in einem Raum von 18 Quadratmetern. Thannhäuser, zugleich verantwortlicher Geschäftsführer, teilt sich einen Arbeitsplatz mit Lienkamp. Gern nutzt der Chef als Rückzugsort auch sein „Tuntenbüro“, einen gut drei Quadratmeter großer Kreativraum über dem Eingang.

Über und hinter den drei Mitarbeitern an der Wand hängen gerahmte Plakate von Stücken wie „Der grüne Bogenschütze“, „Der Unheimliche“, „Der Hexer“ oder „Die Todesfalle“. 21 Motive sind es schon. Es ist eng und kuschelig in dem Büro. Und doch lässt der fensterlose Raum etwas von der besonderen Theaterluft erahnen, die hier weht. Früher diente er als Projektorraum.

Früher, als das Imperial an der Reeperbahn 5 noch Premieren-, später dann Pornokino war. Bis Frank Thannhäuser und seine Mitstreiter 1994 ein Theater eröffneten und die „geile Meile“ auch an dieser Stelle kulturell belebten. An diesem Dienstag feiert das Imperial seinen 20. Geburtstag mit der Uraufführung des Thrillers „Jerry Cotton jagt den New York Ripper“.

Seit sich das Privattheater im Jahr 2003 als eines von nur drei deutschen Häusern neben dem Münchner Blutenburg Theater und dem Berliner Kriminaltheater auf Thriller, Krimis und Krimikomödien spezialisiert hat, ist es das mit Abstand erfolgreichste. Agatha Christies „Die Mausefalle“, Edgar-Wallace-Klassiker wie „Der unheimliche Mönch“ oder „Die toten Augen von London“ erreichten Auslastungen von je 90 Prozent. „In der neuen Spielzeit erwarten wir den einmillionsten Besucher“, rechnet Florian Lienkamp vor.

Daran war vor einem Jahrzehnt nicht zu denken. Obwohl Thannhäuser für seine Übersetzungen und Inszenierung von „Grease“, „The Rocky Horror Show“ und weiterer Musicals wie „Hossa“ Anerkennung erntete, reichten die Erlöse nicht. Das Sujet Musical hatten schon andere, potentere Häuser erobert und besetzt. Und die Schulden des kleinen Imperial Theaters wuchsen. Dazu kam von 2004 an das dreijährige Wagnis, parallel auch das Royal-Theater am Holstenwall zu bespielen. Dies ist heute bloß noch ein Hotel.

Auch daran erinnern sich Regieassistentin Janine Krieger, die damals als Praktikantin anfing, Bühnenbildner Beutel (seit 2003 am Werkeln) sowie der Geschäftsleiter Lienkamp, mit 14 Jahren Zugehörigkeit der dienstälteste Büromitarbeiter. Mit Barchef Rainer Niesterok sind sie die einzigen Festangestellten in Thannhäusers Team. Gejammert oder um Subventionen gebettelt haben die „Imperialisten“ nie. 20.000 Euro für eine Klimaanlage blieben in zwei Jahrzehnten der einzige Zuschuss aus der Kulturbehörde.

Inzwischen haben die Imperial-Macher ihre Schulden aus der Musical-Malaise getilgt und als „Hamburgs Krimitheater“ ihr Genre und ihr Nische in der vielfältigen hanseatischen Theaterlandschaft gefunden. Lienkamp: „Die Mehreinnahmen haben wir immer in mehr Qualität investiert.“ In Bühnenbild und Kostüme. Stellvertretend für die Arbeit hinter und an den Kulissen des Imperials hatte Thannhäuser 2012 den Rolf-Mares-Preis für das beste Bühnenbild mit dem Hamburg-Krimi „Polizeirevier Davidwache“ erhalten.

Der Intendant ist zurück von seinem Einkauf, nun mit einem weißem Kleid überm Arm und einer gelben Tüte eines Jeans- und Western-Stores aus St.Pauli in der Hand. Das Dress wird im „Jerry Cotton“-Stück für die Rolle der Margie benötigt, in der Tüte stecken Teile des Kostüms für Janis Zaurins. Der Hamburger Schauspieler gehört zu jenem Stamm von gut 20 freiberuflichen Akteuren, mit denen Thannhäuser und Co. seit Jahren regelmäßig Spannung erzeugen– immer mit einem humorvoll-ironischen Augenzwinkern.

Obwohl diese Herangehensweise meist funktioniert hat, habe er diesmal erstmals ein Casting durchgeführt, erzählt Thannhäuser beim Gang durchs Theater, vorbei an Bar und Kasse, an der der Chef abends oft selbst die Karten ausgibt. Auf den Treppen stehen Farbeimer. Unten im 272-Plätze-Saal riecht es nach Kaltschaum: Die Imperial-Macher haben sich und ihren Gästen zum 20. Geburtstag neue rote bequeme Sitze gegönnt, importiert aus Spanien. „Im Parkett haben wir mehr als vier Tonnen Holz verbaut“, ergänzt Kulissen-Experte Beutel. Dazu auf der Bühne noch 1,5 Tonnen. Diesmal sind es gleich drei Drehbühnen, welche die Schauspieler während des Stücks zu bewegen haben.

Die Skyline New York ist erkennbar, davor Jerry Cottons Büro, das einen zurück ins Jahr 1963 führt. „Shabby Chic“ (schäbiger Schick) nennt Regieassistentin Janine Krieger den Stil schmunzelnd. In dieser Kulisse nun muss Jerry Cotton mit seinem befreundeten Kollegen Phil Decker einen kaltblütigen Frauenmörder finden. Inwieweit da noch Platz für Humor bleibt? „Diese Beziehung ist ja nicht die klassisch-typische Art für Krimis“, sagt Thannhäuser, der das Stück mit den bekannten Figuren auch geschrieben hat. „Dass es ein Ermittler-Team ist, macht diesen Krimi anders.“

Aber nach etwa 3000 Leichen auf der Imperial-Bühne sollte auch dafür genug Raum sein.

„Jerry Cotton jagt den New York Ripper“ Premiere Di 19.8., 20.00, bis 31.12., Imperial Theater, Reeperbahn 5, Karten zu 16 bis 34 Euro unter T. 31 31 14; www.imperial-theater.de