Die Hamburger Privattheatertage wurden mit Wolfgang Borcherts Drama vom Theater der Altstadt Stuttgart sehenswert eröffnet

Hamburg. Was kann Theater, das stets aufs Neue ein neugieriges und zahlungswilliges Publikum braucht, heute bewegen? Was soll es zeigen, damit es sich rechnet? Was die privaten Bühnen hierzulande zu leisten im Stande sind, zeigt sich bei den Privattheatertagen. Das von Axel Schneider, Intendant des Altonaer Theaters, der Kammerspiele und des Harburger Theaters, 2012 initiierte Festival solle kein Gegenentwurf zum Berliner Theatertreffen sein, sagte Schneider zur Eröffnung in Altona. Es soll die Vielfalt der 280 deutschen privaten Theater widerspiegeln.

82 Produktionen hatten diese zur dritten Auflage des Festivals eingereicht, noch einmal sechs mehr als im Vorjahr. Und schon der erste Abend zeigte, dass die Fördergelder von 450.000 Euro aus dem Etat des Staatsministeriums für Kultur und Medien kein rausgeworfenes Geld sind.

Mit Wolfgang Borcherts Kriegsheimkehrer-Drama „Draußen vor der Tür“ bescherte es den Besuchern zum Auftakt eine Hamburgensie mit aktuellen Bezügen, inszeniert von Wilfried Alt als Gastspiel des Theaters der Altstadt Stuttgart. Das einzige Theaterstück des Eppendorfers Borchert, 1947 in nur acht Tagen geschrieben und in den Kammerspielen uraufgeführt, hatte in Hamburg zuletzt 2011 Luk Perceval im Thalia als eine Rock-Revue auf die Bühne gebracht. Auch Alt verzichtete nicht auf Musik, wenn auch nur mit Einspielungen. Ein nach vorn offener Raum mit einem bespielbaren Dach und einem in der Wand integrierten Flachbildschirm bildete einen Teil der Kulisse.

Bevor sich für den müden, ja lebensmüden Kriegsheimkehrer Beckmann überhaupt mal eine Tür öffnet, ruft ihn die Elbe, auch hörbar aus dem Off. Doch sie spuckt ihn wieder aus. Festen Boden unter den Füßen findet der am Knie lädierte und vom Krieg traumatisierte Beckmann nicht mehr.

Philipp Alfons Heitmann gab der Verlorenheit und Zerrissenheit eines von der Gesellschaft Ausgestoßenen ein ausdrucksstarkes Gesicht – ob nun mit oder ohne Gasmaskenbrille. Der Andere (Stefan Müller-Doriat), mit schwarzer Maske anfangs einem Autonomen ähnelnd, stand Beckmann als Jasager und dessen Darsteller lange Zeit zur Seite und in nichts nach. Beide zeigten, dass nach Stalingrad 1943 in der Gegenwart auch Kabul oder Bagdad Soldatenhöllen sein können. Ergänzt von Filmerzählungen traumatisierter Soldaten.

Dass Beckmann und der Andere kurz vor Schluss aus ihren Rollen fielen und Beckmanns verzweifelte Frage „Gibt denn keiner Antwort?“ lauter denn je durch den Theatersaal hallte, waren zwei spezielle Interpretationen des Regisseurs Alt. Dem langanhaltenden Beifall des Publikums für das siebenköpfige Ensemble und besonders für Hauptdarsteller Heitmann tat das keinen Abbruch. Die Privattheatertage in der Kategorie moderne Klassiker mit „Draußen vor der Tür“ beginnen zu lassen war eine gute und kluge Wahl sowie ein würdiger Auftakt.

Hamburger Privattheatertage bis So 29.6., in sechs Häusern, Karten unter T. 30 30 98 98; Programm: www.privattheatertage.de