Sibylle Bergs Satire „Die Damen warten“ hat am Sonntag in den Hamburger Kammerspielen Premiere

Kammerspiele. Es sind Fragen, die in Haushalten fast jedes Wochenende aufkommen: Wer erledigt den Einkauf? Wer sorgt fürs angenehme häusliche Ambiente? Und wer hat rechtzeitig Karten für die Theaterpremiere besorgt? Antwort: die Frauen! Nicht immer, aber immer wieder. Und wenn die Damen mit Unternehmungslust für den Besuch außer Haus gutes Geld ausgegeben haben, möchten sie auch anregend unterhalten werden. Mit Themen, die sie nachempfinden können und über die sie lachen können. Wenn der Mann, Partner, Freund oder auch der kulturell interessierte Tagesabschnittsgefährte freiwillig mitkommt – umso besser. Falls eher widerwillig – Vorsicht! Und wenn er zu Hause bleiben möchte, spätestens dann sollte sie die beste Freundin kontaktieren, damit der Abend so richtig schön rund wird.

Dass derartige Theatergängerinnen meistens eine gewisse (Lebens-)Erfahrung haben, versteht sich. Stücke über Frauen in den besten und allerbesten Jahren waren und sind auch in Hamburger Häusern längst Kassenknüller. Franz Wittenbrink, Begründer des modernen szenischen Liederabends, hatte schon Mitte der 90er-Jahre den „Sekretärinnen“ auf der Bühne des Schauspielhauses ein Denkmal gesetzt. Kabarettistin und Regisseurin Gerburg Jahnke kreierte mit der Wechseljahre-Revue „Heiße Zeiten“ im St. Pauli Theater äußerst erfolgreich das Genre „Hormonical“. Die „Kalender Girls“, Damen, die im fortgeschrittenen Alter leicht bekleidet für einen Kalender posieren, wurden erst zum Kino-, später dann auch zum Komödienhit im Winterhuder Fährhaus. Und in der jüngst gefeierten deutschsprachigen Erstaufführung der sozialkritischen Komödie „Jumpy“ glänzen im Ernst Deutsch Theater Ulli Maier und Désirée Nick als Mutter respektive Singlefrau um und über 50, wenn Wechseljahre auf Pubertät treffen.

An diesem Sonntag nun zeigen die Kammerspiele erstmals ein Stück von Sibylle Berg. Wiederum eine Aufführung, in der Frauen über 40 im Mittelpunkt stehen. Die deutsch-schweizerische Autorin, die mit ihrem Roman „Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot“ 1997 ihren Durchbruch hatte, ist dank „Zeit“ und „Spiegel Online“ („S.P.O.N“ – Fragen Sie Frau Sibylle“) heute eine der meistgelesenen Kolumnistinnen Deutschlands. Berg, bekannt für ihren abgedrehten Humor, gilt zudem als bitterböse Betrachterin ihrer Geschlechtsgenossinnen. Auch in ihren Theaterstücken.

In „Die Damen warten“ schickt die 51 Jahre alte Autorin vier Frauen zur ausführlichen und kostenlosen Behandlung in eine Wellness-Oase – am Weltfrauentag. „Sozialisation und Geschlecht verbindet die Damen, ihre persönliche Idee einer gelungenen Lebensführung unterscheidet sie“, sagt Sibylle Berg. Und so lässt sie eine alleinerziehende Angestellte (Frau Luhmann), eine aus Überzeugung kinderlose Gerichtsmedizinerin (Frau Grau), eine männerfixierte Immobilienmaklerin (Frau Töss) sowie eine verheiratete Hausfrau und Mutter (Frau MerzDulschmann) warten auf das, was frau so vermeintlich guttut: Massage, Typberatung, Hair-Styling.

Die Sucht, anderen und dem anderen Geschlecht gefallen zu wollen, die Reduktion auf das Äußere, ist etwas, das Sibylle Berg immer wieder gern und gallig thematisiert. Und damit das Szenario im aktuellen Stück stimmt, darf für die Kundinnen zwischen Müßiggang und Menopause auch ein Mann namens Horst als eine Art Allround-Therapeut nicht fehlen. Der „Hair-Make-up-Artist“, wie ihn Sibylle Berg nennt, kontert sarkastische Kommentare der vier Damen mit Chauvi-Sprüchen. Reibung also mit allen möglichen und althergebrachten Mitteln? „Die Geschichte hätte auf viele verschiedene Arten funktionieren können, ich habe mich halt für die Kalauerigste entschieden“, entgegnet Sibylle Berg.

15 ihrer Werke sind bisher auf deutschsprachigen Bühnen aufgeführt worden. Erst im Vorjahr lief in Hamburg im Theater Kontraste „Hund, Frau, Mann“. In jenem Stück leidet die Frau am Mann und hat regelrecht Angst, ihn zu verlieren. Für Berg ist das „eine ganz andere Baustelle“. „Hund, Frau, Mann“ sei „ein Beziehungsdramolett, in dem Mann und Frau – die Sehnsüchtigen – an ihrer Sehnsucht leiden“, erläutert sie. „Die Damen warten“ hingegen sei eine Komödie. „Verwegen könnte ich fast behaupten: eine Satire.“

Kammerspiele-Intendant Axel Schneider hat für die Hamburger Premiere den Fernsehpreisträger Kai Wessel („Zeit der Helden“) als Regisseur gewonnen, der an der Hartungstraße schon Neil LaButes Gesellschaftskomödie „Fettes Schwein“ erfolgreich inszenierte. Mit Marion Martienzen, Nina Petri, Hildegard Schroedter und Julia Jäger ist die Frauenriege hochkarätig besetzt. Sie sollen auch das auf die Bühne bringen, was sich die Autorin erhofft. Das Stück sei ein Über-sich-Lachen und nicht Über-andere-Lachen, meint sie.

Das genaue Beobachten ist bei Sibylle Berg das eine, die sarkastisch-zynische Umsetzung das Spezielle, ihre eigene Erfahrung hingegen nicht die Hauptsache. „Ich habe wie alle Frauen, die genau hinsehen, eine Sensibilität für Ungerechtigkeiten und Sexismus“, sagt sie. „Aber man muss wirklich nicht alles selber fühlen und spüren und erleben, um darüber eine Aussage zu machen. In fast allen Aspekten meiner Arbeit geht es um die Sehnsucht nach einer utopischen gleichberechtigten Gesellschaft, in der es keine Randgruppen mehr gibt, und um den Humor der Verzweiflung darüber, dass wir diese Gesellschaft nicht mehr kennenlernen werden.“

Und so scheinen die Frauen an die 50 in Bergs Textanlage nutzlos, weil nicht mehr gebärfähig sowie sexuell weniger aktiv und attraktiv. Die Wellness-Oase gerät zur Wohlfühlfalle, aus der es für sie kein Entkommen mehr geben soll.

Selbstironie wie bei früheren Erfolgsstücken über Frauen jenes Alters scheint bei Bergs „Die Damen warten“ nicht das entscheidende Stilmittel zu sein. Und hätte ein Mann solch ein Stück geschrieben, gelte er vermutlich sogleich als Sexist. „Das ist ein bisschen das Problem der politischen Korrektheit, dass wir uns zwar, sehr lobenswert, ständig hinterfragen in dem, was wir sagen und tun und denken“, sagt Sibylle Berg. „Die Kehrseite ist, dass der Humor leidet.“

Warum aber lassen sich manche Frauen noch immer aufs Äußere reduzieren? „Zum einen ist der Wunsch, zu gefallen, alten Zeiten geschuldet, in der Frauen nicht viel übrig blieb, als einen Mann zum Heiraten zu finden. Mit der Sucht nach Perfektion des Äußeren haben aber Männer und Frauen heute gleichermaßen zu tun“, konstatiert Berg. „Der stromlinienförmige Mensch ist ein Abfallprodukt des realen Kapitalismus. Es wird, außer eine neuerliche Weltwirtschaftskrise macht uns einen Strich durch die Rechnung, auch keinen Weg zurückgeben.“ Ihre These: „Der genormte Körper wird Standard.“

Vorbild für jenen sind – zumindest laut Werbe- und Marketingkampagnen – fast immer junge, hippe Frauen und Männer. Tröstlich für die Älteren: Beim winterlichen Besuch im dunklen Theatersaal können die Jüngeren ihre prallen Formen, gestählten Bäuche und sonstigen Körperverzierungen nicht wirklich zur Schau tragen. Und für Frauen (sowie auch manche Männer) in den besten Jahren ist das anschließende und anregende Gespräch bei Wein oder Schorle oft erst der wahre Kulturgenuss. Sibylle Bergs „Damen“ sollten dafür genug Stoff bieten.

„Die Damen warten“ Premiere So 26.1., 19.00, Mi 29.1.–So 2.3., Kammerspiele (U Hallerstraße.), Hartungstr. 9–11, Karten zu 17,- bis 38,- unter T. 413 44 40; www.hamburger-kammerspiele.de