Produzent Nico Hofmann hat die Wulff-Affäre verfilmt. “Der Rücktritt“ ist ein Dokudrama, nah an der Realität. Aber nur ein Sender war bereit, die Geschichte umzusetzen.

Hamburg. Es gibt nicht viele Texte zum Fall des gestürzten Bundespräsidenten Christian Wulff, die man so anfangen kann. Aber einmal ist ja immer das erste Mal. Also: Kompliment, Herr Filmproduzent Nico Hofmann, Herr Regisseur Thomas Schadt, für diesen Film; für diesen gelungenen Versuch, aus spannender Zeitgeschichte gute TV-Unterhaltung zu machen.

„Der Rücktritt“ heißt der Streifen, der an diesem Montag in Hamburg erstmals ein paar Journalisten präsentiert wurde. In ihm werden jene dramatischen Wochen um die Jahreswende 2011/2012 nacherzählt, in denen im Schloss Bellevue der Wind zunächst von vorne wehte, sich sodann zu einem ziemlichen Orkan entwickelte, ein bisschen abflaute und schließlich doch noch ein gestandenes Staatsoberhaupt hinwegfegte.

Man hatte damals ja schon fast gedacht, er steht es doch durch, das „Stahlgewitter“, wie Christian Wulff selbst die Medienberichterstattung über ihn empfunden hat. Völlig zerzaust, aber sehr tapfer.

So hätte es ja auch ausgehen können. Zum Beispiel, wenn Wulff-Freund Groenewold damals nicht nach Sylt gereist wäre und dabei den Eindruck erweckt hätte, er versuche die Spuren der Gemeinsamkeiten zu vertuschen.

Das ist eine jener Entwicklungen, die man heute fast schon wieder vergessen hat und die Produzent Hofmanns Dokudrama zurück in die Erinnerung des Publikums bringt.

Sein Autor Thomas Schadt, der auch schon Helmut Kohls Geschichte fürs TV erzählt hatte („Der Mann aus der Pfalz“), versucht gerade in diesen Minuten seines Werks, der Realität so nah wie irgend möglich zu kommen. Was naturgemäß nur zum Teil gelingen kann, wenn wichtige Protagonisten nicht mitmachen.

Christian und Bettina Wulff haben Hofmann die Mitarbeit aus nachvollziehbaren Gründen verweigert; weshalb bei allem dokumentarischen Charakter dieses Films und bei allem Bemühen Hofmanns, die Balance zu bewahren zwischen den diversen Perspektiven, die der Fall Wulff bietet, die Binnensicht des Präsidentenpaares Fiktion bleibt.

Niemand weiß, was die beiden damals genau besprochen haben unter vier Augen. Und was man wissen könnte, weil es in Bettina Wulffs Buch „Jenseits des Protokolls“ stand, durfte Hofmann nicht verwenden. Sein Angebot, ihr die TV-Rechte an dem Stoff abzukaufen, hat die Ex-First-Lady abgelehnt.

Der Film stützt sich stattdessen vorwiegend auf das Buch der beiden „Bild“-Journalisten Martin Heidemanns und Nikolaus Harbusch, die den Fall Wulff mit ihren Veröffentlichungen maßgeblich ins Rollen gebracht und ihre Recherchen in der „Affäre Wulff“ dokumentiert haben.

Der „Spiegel“-Redakteur Jan Fleischhauer hat an Hofmanns TV-Projekt ebenfalls mitgewirkt. Dass die Branche in „Der Rücktritt“ dennoch nicht durchweg gut wegkommt, liegt in der Natur des Stoffes.

Dokumentiert wird – Pars pro Toto: Heribert Prantl von der „Süddeutschen Zeitung“ – wie apodiktisch, zuweilen brutal wir Journalisten uns im Eifer des Gefechts über den Charakter Christian Wulffs geäußert haben, wie sehr wir gelegentlich menschliches Maß missen ließen.

Andererseits werden uns mit Christian Wulff sowie seinen beiden engsten Mitstreitern Lothar Hagebölling und Olaf Glaeseker in Hofmanns Film auch keine Unschuldslämmer vorgestellt. Im Gegenteil: „Der Rücktritt“ dokumentiert auch das unsägliche Lavieren des Bundespräsidenten und seines Amtes; er präsentiert sogar eine Erklärung für all das Wischiwaschi, mit dem sich der Präsident seinerzeit immer weiter Richtung Abgrund manövrierte.

Der steife Bürokrat Hagebölling und der geschäftige Netzwerker Glaeseker drängten ihren langjährigen Weggefährten Wulff beim Versuch, seine dramatische Glaubwürdigkeitskrise zu überwinden, in höchst unterschiedliche Richtungen. Soll man alles offenlegen? Oder vielleicht doch nur das Allernötigste?

Der zögerliche, schließlich verängstigte Wulff mag sich nicht so recht entscheiden, wählt den Mittelweg. Und der führte bekanntlich nicht zu einem glimpflichen Ende der Krise. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Dinge im Schloss Bellevue in etwa genauso abgespielt haben, wie Thomas Schadt es in seinem Film erzählt, ist jedenfalls recht groß.

Zur Authentizität der fiktionalen Szenen von „Der Rücktritt“ trägt natürlich auch das Ensemble bei. Kai Wiesinger und Anja Kling interpretieren ihr Präsidentenpaar genregemäß sehr nah am Original. Das gelingt in beiden Fällen mindestens ordentlich. Wobei man Kling, die einen wunderbar ironischen ersten Auftritt hat, durchaus ein paar mehr Szenen gegönnt hätte.

Wer sonst noch meckern möchte, hätte sich Holger Kunkels „Olaf Glaeseker“ ein Stück warmherziger gewünscht. Er ist nicht nur der geschäftige Wurstel, als der er im „Rücktritt“ rüberkommt. René Schoenenberger spielt seinen „Lothar Hagebölling“ zwar am Rande der Karikatur; aber das kommt der Wirklichkeit wiederum recht nah.

Sat.1 zeigt den „Rücktritt“ am 25.Februar um 20.15 Uhr, ziemlich genau zwei Jahre nach Wulffs tatsächlichem Abgang aus Bellevue und vermutlich ganz passend zum Ende seines Prozesses vor dem Landgericht Hannover.

Der Sender war der einzige Anbieter, der Hofmanns Idee umsetzen wollte. ARD und ZDF, denen der Stoff auch ganz gut zu Gesicht gestanden hätte, lehnten dankend ab. Nico Hofmanns Film ist zu wünschen, dass sie sich am 26. Februar, wenn die Quoten vom Vortag bekannt werden, ein wenig über diese falsche Entscheidung ärgern.

„Der Rücktritt“, 25. Februar, 20.15 Uhr, Sat.1