Le Poème Harmonique wurde in der Laeiszhalle im Rahmen von „Das alte Werk“ bejubelt. Nach dem einstündigen Konzert wurden die Musiker gefeiert, als seien sie Rockstars.

Hamburg. Es war eins der Konzerte, bei denen man wünscht, sie möchten nicht enden. Und als es dann doch nach einer guten Stunde schon so weit war, wurden die zehn Musiker von Le Poème Harmonique in der Laeiszhalle gefeiert, als seien sie Rockstars. Dabei hatten sie gerade eine fast intime Performance abgeliefert – die beiden Kandelaber, an denen nicht mal die Hälfte der Kerze entzündet wurde, waren ein hübsches Symbol für das, was sich auf der Bühne tat: eine wirkungsvolle Reduktion aufs Wesentliche.

Das inzwischen weltweit bejubelte Ensemble um Vincent Dumestre – sechs Instrumentalisten mit Theorbe, Violine, Lirone, Gambe, Barockgitarre und Perkussion nahm sein Publikum in der NDR-Reihe „Das alte Werk“ mit in die Anfangszeit des venezianischen Musiktheaters, als die großen Gefühle neue Töne bekamen. Eine spannende Zeit, in der heute noch bekannte Meister (Monteverdi), aber auch nur noch Eingeweihten bekannte wie Castello, Fasolo, Ferrari und Manelli Klänge und Harmonien ausprobierten, die aus dem heutigen Abstand schon wieder extrem modern und überraschend klingen.

Die vier Sänger – mit dezentem Drama der klare Sopran von Claire Lefilliâtre, die schlanken Tenöre von Jan van Elsacker und Serge Goubioud, der zurückhaltend eingesetzte Bass von Geoffroy Buffière – loteten das Universum der Emotionen aus, eindrucksvoll unterstrichen von damals zeitgenössischen Gebärden, die auch in den oberen Rängen großer Theater klar machten, wovon gesungen wurde. Natürlich von Liebe, am liebsten von der unglücklichen. Lamenti, Klagelieder, kündeten von Verlassensein, Verrat, Enttäuschungen. Und volkstümliche Szenen brachten das Publikum zum Lachen. Eine muntere Bootsfahrt höchst unterschiedlicher Charaktere zu volkstümlich verwurzelter Musik hat Regisseur Benjamin mit Komik in Szene gesetzt.

So ein Konzert von Le Poème Harmonique ist eine Schule des Hörens, die ahnen lässt: Nicht alles, was der musikalische Fortschritt später ausgesondert hat, war wirklich überflüssig. Das erfährt man manchmal in einem imaginären venezianischen Palazzo, und manchmal – da reicht schon eine lange Reihe von Kerzen – in einem der großen Theater der Lagunenstadt. Gerade die Feinheiten, dieses „Weniger ist mehr“, erzeugen das Gefühl, mitzuerleben, wie hier die frühen Meister völlig Neues wagen. Ohne gewaltigen Materialeinsatz, dafür mit kunstvollsten Verzierungen, mit Mut zur Dissonanz, mit Lust am Gassenhauer. Es muss eine aufregende Zeit gewesen sein Anfang des 17. Jahrhunderts. Diese Kostproben jedenfalls waren ein Juwel aus dem Schatzkästchen des „Alten Werks“. Und nicht dabei gewesen ist nicht mal ganz verpasst: Am 20. Dezember um 20.05 Uhr wird die Aufzeichnung auf NDR Kultur gesendet.