Star-Dirigent Gustavo Dudamel lenkte die Münchner Philharmoniker in der Laeiszhalle schnittig an den Rändern des Abgründigen entlang – manchmal ein bisschen zu schnittig.

Hamburg. Die Tempobezeichnung „Angstfrei und sehr flott“ ist in der Partitur von Mahlers Siebenter nirgendwo zu finden. Als Gustavo Dudamel in diesem Sommer mit Hunderten venezolanischer Jugendlicher Mahlers Achte, dessen „Sinfonie der Tausend“, auf die riesige Bühne des Salzburger Festspielhauses stemmte, war seiner Interpretation – neben dem Kollektiv-Spaß am spektakulären Überformat – auch der Respekt vor dem Werk und den inhaltlichen Dimensionen anzuhören gewesen.

In der Laeiszhalle aber mit den Münchner Philharmonikern hat Dudamel vor allem auf Panoramasicht und gutes Gesehenwerden dirigiert, anstatt sich in die unbefestigte, riskantere Tiefe der Töne zu trauen. Das Ergebnis wurde am Ende umjubelt, war aber zwiespältig, denn Mahlers großorchestrale Psychogramme sind eher nichts für eifrige Selbstdarstellung. Sie sollen mit Fragezeichen konfrontieren, nicht mit Ausrufezeichen klarstellen. Erst recht in der problematischen Siebenten, die auch deswegen nie aus dem Schlagschatten der Achten herauskam.

Was man Dudamel zugutehalten muss: Sein Dirigierstil ist sehr effektiv, er kann mit großen Emotionen geradezu lässig jonglieren. Doch die Siebente ist dafür nicht besonders gut geeignet, sie hat Brüche und Kanten, ist in sich zerrissen. Dudamel verzichtete darauf, diese Kontraste stark und Herzblut vergießend nebeneinanderzustellen.

Mahlers eigenwilligen Kopfsatz-Vermerk „Hier röhrt die Natur“ nahm er sehr wörtlich und verzichtete weitgehend auf eine feiner dosierte Drosselung der Dynamik. Er wollte offenbar auch Verunsicherung über die Schattenspiele in den Nachtmusiken der Binnensätze vermeiden und keine leise dräuende Panik über die Doppelbödigkeit des Scherzos mit seinen Geisterstündchen-Anspielungen. Keine Albträume, keine spröde Verwirrung; Dudamel machte es sich hier zu leicht und lenkte die Münchner zu schnittig an den Rändern des Abgründigen entlang.

Da war es auch keine Überraschung mehr, dass Dudamel dem selbstbesoffen triumphal daherkommenden Finale in die C-Dur-Falle ging. Paukenwirbeln, Trompetenfanfaren – alles, was die letzten Meter zum Schlussapplaus mit Blattgold überziehen kann, wurde unwidersprochen als Rausschmeißer ohne verzweifelt klaffende Sollbruchstellen abgefeiert.

Schön, aber auch: schade.