Das Hauptgebäude der Hochschule für bildende Künste wird 100 Jahre alt – Lehrer und Schüler erinnern sich

Hamburg. „Möchte es ein Anfang dafür sein, dass an dieser Bildungsstätte zahlreiche Kräfte entstehen, welche Arbeiten schaffen, die in engem, praktischem Zusammenhang mit Hamburgs Architektur zum Leben kommen“, schrieb der Architekt Fritz Schumacher im Jahre 1913 aus Anlass des von ihm geschaffenen Neubaus der Hamburger Kunstgewerbeschule am Lerchenfeld. Auf 100 bewegte, kreative und lehrreiche Jahre blickt die Hochschule für Bildende Künste dieser Tage zurück. Ihren Professoren und Studenten verdankt die deutsche Kunstlandschaft entscheidende Impulse und Innovationen. Wenn das kein Grund ist zum Feiern.

In der Kunst läuft manches anders ab. Und so erscheint anlässlich des Jubiläums keine bleierne Festschrift, sondern ein Glossar mit dem Titel „berühmt – berüchtigt“, in dem der Kunstkritiker Till Briegleb allerlei Anekdoten des Kunstbetriebs zusammengetragen hat. Im Vorwort klärt er auf, was es nicht sein soll, „nicht objektiv, nicht vollständig, nicht gerecht und nicht staatstragend“. Es sei aus Interviews und Klatsch komponiert, aus Bücherstapeln und Links, Kneipengesprächen und Zufallsfunden. Und natürlich wüssten hinterher einige, dass alles in Wirklichkeit ganz anders gewesen sei.

Nach der Lektüre könnte man meinen, die Geschichte der HfbK sei eine Reihe von Skandalen – ist sie natürlich nicht. Vom „Berufungspech“ ist da die Rede, das unter anderen Walter Gropius ereilte, der im konservativ und handwerklich gesinnten Kunstklima 1918 keinen Ruf an die Kunstgewerbeschule erhielt. Man erfährt Erhellendes über den „Dilettanten“, einen seit Schiller und Goethe bekannten Begriff. Alfred Lichtwark forderte gar eine Art geschmacklicher Volkserziehung durch – wenn auch nur talentfreie – Hobbykunst. In den 80er-Jahren entstand so der Künstlertypus des „Genialen Dilettanten“ am Lerchenfeld.

Unter dem Stichwort „Hausgeister“ ist von sich über Strickleitern sich abseilenden Wesen zu lesen, die nachts nackt, betrunken und schreiend hinter Studentinnen herliefen oder morgens im Bademantel auf der Suche nach einem heißen Kaffee durch die Gänge tappten. Und man begegnet dem Typus des „Kunstschwätzers“, einer „Unsterblichen Nervensäge“, die es aber nun mal in jedem Umfeld gebe.

Neben manch Erheiterndem enthält das Glossar viel Gehaltvolles. Etwa, dass Meret Oppenheim 1977 als „Gast“ geduldet war und 1989 gerade mal zehn Prozent des Lehrkörpers weiblich war. Das hat sich grundlegend geändert. Heute sind 47 Prozent der akademischen Mitarbeiter und 40 Prozent der Professoren weiblichen Geschlechts.

1767 wurde die Hamburger Gewerbeschule von der Patriotischen Gesellschaft als erste Schule dieser Art in Deutschland gegründet und damals eher noch als Handwerk verstanden. Unterhalten wurde sie von den Zünften. 1896 wurde der Stadtstaat Hamburg neuer Träger, die Gewerbeschule wurde zur Staatlichen Kunstgewerbeschule und erhielt 1913 einen Bau, in dessen Architektur sich die Moderne manifestieren sollte. 1928 wurde daraus die Landeskunstschule. Die Nationalsozialisten benannten die Lehranstalt um in „Hansische Hochschule für Bildende Künste“ und feuerten ab 1933 neben vielen Professoren und Lehrenden den Direktor Max Sauerlandt. Neben Brieglebs Kompendium sind weitere Veröffentlichungen geplant, darunter die Neu-Edition des Zeitschriftenprojekts „Spuren“. Zwischen 1983 und 1994 brachten darin Philosophen wie Michel Foucault, Jacques Derrida und Jean Baudrillard allerlei Kluges zu Papier.

Drei Tage sollen die rauschenden Feierlichkeiten nun dauern, beginnend mit einem Festakt in der von Fritz Schumacher entworfenen, frisch restaurierten Aula der Hochschule. Im Zuge dessen wurde auch das Farbkonzept und die Ornamentierung des Monumentalfrieses „Die ewige Welle“ von Willy von Beckerath in den Originalzustand zurückversetzt. Donnerstag und Freitag gehören mehreren Symposien und Diskussionen zu Themen wie „Weltentwerfen“ oder auch einem großen Komplex zum Thema Film mit „Das Kino ist tot, es lebe das Kino!“. Ein weiteres Symposium stellt sich der hier zentralen Frage, „Kann man die Kunst lehren (und falls ja, wie)?“

Ganz so akademisch und staubtrocken soll es natürlich nicht bleiben. Schließlich wissen Künstler bekanntlich gut zu feiern. Das tun sie in Anlehnung an die legendären jährlichen Künstlerfeste im Curio-Haus, die so einprägsame Titel trugen wie „Die Götzenpauke“ (1921) oder „Plüsch und Plöröse“ (1929) und 1968 schließlich nach einem Skandalfinale abrupt endeten. In Erinnerung an die glorreiche Vergangenheit steigt am 11. Oktober ein großes Künstlerfest mit Inszenierungen, Performances und viel Musik im ganzen Haus, unter anderem von Palais Schaumburg, DJ Phono, Felix Kubin, Hgich.T und Frau Kraushaar. Hinterher weiß auch der Letzte, ein Leben ohne Kunst ist vielleicht für einige möglich, aber auf jeden Fall sinnlos. In diesem Sinne: auf die nächsten 100 Jahre.

HfbK Hamburg – 100 Jahre Lerchenfeld Festprogramm 9. bis 11. Oktober, Hochschule für Bildende Künste Hamburg, Lerchenfeld, Eintritt frei; www.hfbk-hamburg.de