Mit einem Schuldeingeständnis und großem Einsatz versuchte Markus Lanz, „Wetten, dass..?“ doch noch vor dem Untergang zu retten

Bremen. Als die Autos von Opel Anfang der 1990er-Jahre immer wieder zur Nachrüstung in die Werkstätten gerufen werden mussten, spielten das die Konstrukteure zunächst herunter. Bis es plötzlich nach viel ätzender Kritik und manch brennendem Wagen in einem berühmten Werbeslogan hieß: „Wir haben verstanden.“ Eine Vorwärtsverteidigung, derer sich gut 20 Jahre später Markus Lanz gleich zu Beginn der ersten „Wetten, dass..?“-Ausgabe nach der Sommerpause und dem Mallorca-Fiasko bediente: „Die Botschaft ist angekommen“, sagt er in der Bremer Messehalle in eigener Sache. Und wenig später fügte er tatsächlich hinzu: „Wir haben verstanden.“

Was genau? Dass die Geissens als Gäste, Cindy von Marzahn als schrille Co-Moderatorin, gequälte Hollywoodstars und schlüpfrige Bemerkungen in der Großpackung wenig mit dem zu tun haben, was „Wetten, dass..?“ mal sein wollte: etwas gehobene Abendunterhaltung mit echten Stars und zumeist Dialekt sprechenden Menschen, die sich mit ihrem Wettversuch die vielleicht wichtigste Anekdote ihres eigenen Lebens selbst schaffen konnten.

Aber das ZDF und vor allem die neue Produktionsfirma wollte den Klassiker frischer, schneller und jünger machen. Die oft als letztes TV-Lagerfeuer beschriebene Sendung sollte nach dem Wechsel von Thomas Gottschalk zu Markus Lanz wieder Funken schlagen – doch daraus wurde ein kaum noch zu kontrollierender Flächenbrand. Am Sonnabend erlebten zumindest jene Zuschauer, die mit der Werbeboxorgie auf RTL noch weniger anfangen konnten (beim ZDF landeten 6,85 Millionen Zuschauer – so wenige wie nie zuvor – bei Klitschko waren fast doppelt so viele), den größten Löschversuch der Fernsehgeschichte. Es wurde kurzerhand alles wieder weggespült, was eben noch als zukunftsweisend galt: Keine Comedy mehr, keine Unterschichtenstars für junge Zielgruppen, kein albernes Kräftemessen des Moderators mit dem Publikum, dafür ein wärmend-güldenes Bühnenbild und Wettkandidaten, die nur noch für ihre Herausforderung die Bühne betreten, den Prominenten kurz anfassen dürfen und dann wieder in ihre Provinz verschwinden. All die jetzt wieder geschredderten Ideen seien Ausdruck „einer verspäteten zweiten Pubertät“ gewesen, sagt Lanz, die aber sei nun vorbei. Im Vergleich zu der über Jahre erfolgreichen Gottschalk-Variante der Show fehlt jetzt nur noch (und zum Glück) der Werbemarathon vom Gummibärchen bis zum Gewinnerauto. Und es fehlt: Gottschalk.

In diesem neuen, alten Versuchslauf kommt es nämlich noch stärker auf den Moderator an, und da zeigt sich die Schwäche des Markus Lanz, der in den ersten übervollen Sendungen seit seiner Übernahme vor allem damit zu tun hatte, den Überblick zu behalten. Nun geht es stringenter zu und es öffnet sich der Raum für eigenes. Auftritt Harrison Ford, einer von mehreren Hochbetagten, die noch folgen sollten. Beinahe jeder, der sich dem Darsteller des „Indiana Jones“ auch nur auf zehn Meter näherte, musste diesem auf Lanz’ Geheiß huldigen. Ford selbst wirkte dabei über weite Strecken so müde und desorientiert, dass eine Ladung Eiswürfel in die Hose – wie es Kollege Gerard Butler auf Mallorca noch erdulden musste – durchaus Charme besessen hätte.

Es geschieht, obwohl mit Cher und Sylvester Stallone noch zwei durchaus munterere Hollywood-Größen folgen sollten und mit Helene Fischer, Ruth Maria Kubitschek, dem überdrehten Matthias Schweighöfer und der Schauspielerin Anja Kling noch einige weitere landesübliche Kulturträger ihre neuen Werke vorstellen durften, weder ein sonderlich witziger noch ein sonderlich spannender Moment. Nichts ist peinlich, nichts ist abstoßend, aber auf der Habenseite bleibt auch nichts hängen. Lanz kämpft, er hat sich bestens vorbereitet, er hat es im Griff – doch die Atmosphäre einer großen Show ist nicht allein vom Handwerk abhängig.

Bei den Wetten werden Eier geworfen, Fettspuren auf Computerbildschirmen irgendwelchen Browser-Spielen zugeordnet und ein Schiff von Schwimmern allerdings zu langsam durch einen Südtiroler See gezogen. Alles „spektakulär“, wie Lanz immer wieder betont, alles „Wow!“ oder wenigstens „überwältigend“. Am Ende wird ein Straßenwalzenfahrer Wettkönig, der mit verbundenen Augen sein Gerät so manövrieren kann, dass Bierflaschen ihre Kronkorken einbüßen.

Bei der Stadtwette schließlich kommen gerade mal knapp 40 Bremer Angestellte im öffentlichen Dienst auf die Bühne, die sich entfernt wie „Indiana Jones“ gekleidet haben. 100 waren gefordert, früher wäre so eine Mobilisierung kein Problem gewesen. Lanz gewinnt seine Wette, aber das sollte ihm zu denken geben: Kann es sein, dass das Lagerfeuer gar nicht mehr brennt?