Filmfest-Programmleiterin Kathrin Kohlstedde über die Mühen, Filmkopien für eine Retrospektive des iranischen Kinos zu beschaffen.

Hamburg. Traditionell widmet das Filmfest Hamburg die Reihe „de Luxe“ dem Filmschaffen jeweils eines Landes. In diesem Jahr stellte der unter Hausarrest stehende Regisseur Jafar Panahi sein Best-of des iranischen Kinos zusammen. Wir sprachen mit der Filmfest-Programmleiterin Kathrin Kohlstedde über Tücken, Besonderheiten und Schätze bei „Iran de Luxe“.

Hamburger Abendblatt: Wie kamen Sie darauf, Ihre De-Luxe-Reihe in diesem Jahr dem Iran zu widmen?
Kathrin Kohlstedde: Iran hat ein großes Filmerbe, und Panahi zu fragen lag nahe. Wer offiziell keine Filme drehen darf, kann vielleicht zumindest seine filmische Vision ausdrücken, indem er uns sagt, welche Filme er toll findet.

Gibt es im Iran eine zentrale Stelle, die dieses Filmerbe verwaltet und bei der man Kopien ausleihen kann?
Kohlstedde: Ja, das Nationale Filmarchiv in Teheran. Wäre die Welt schön, dann hätten wir von denen die tollsten Kopien bekommen können, denn die haben sie da. De facto aber dürfen sie die Filme nicht rausschicken. Also haben wir in Frankreich Exil-Filmemacher kontaktiert und Exilanten, die Weltvertriebe haben. Über die haben wir einige Kopien bekommen, auch manche von den Filmemachern selbst. Vier Filme sind von halbstaatlichen Einrichtungen aus Teheran, auch vom staatlichen Fernsehen kam etwas.

Sie waren häufiger auf dem Filmfestival in Teheran. Wann zuletzt?
Kohlstedde: 2009. Danach wurde alles sehr schwierig für uns ausländische Gäste. Wir können nicht einerseits Filme von Panahi und Mohammad Rasoulof auf unseren Festivals zeigen und gleichzeitig aufs staatliche Filmfest nach Teheran fahren und dort gute Miene zum bösen Spiel machen.

Alle Ihre Kontakte in den Iran laufen derzeit über E-Mail?
Kohlstedde: Ja, über E-Mail und über Leute, die in Teheran leben und da und dort für uns ein gutes Wort eingelegt haben.

Das Nationale Filmarchiv hat Ihnen keinen einzigen Film ausgeliehen?
Kohlstedde: Nein. Jetzt nach den Wahlen dort, als ein neuer Kulturminister installiert wurde, habe ich noch mal nachgefragt, mit dem Unterton: Vielleicht sei ja jetzt alles ein bisschen anders? Aber der Mann vom Nationalen Filmarchiv schrieb nur zurück, dass dem nicht so sei. Das wird seine Zeit brauchen. Der Iran ist finanziell am Boden, er hat sich in eine Ecke manövriert, wo keiner ihn mag. Die jüngsten Freilassungen von politischen Gefangenen wurden als Hoffnungszeichen interpretiert, aber zwei Tage später haben sie dafür wieder andere eingesperrt. Diese Willkür ist wirklich extrem. Man versteht einfach nicht, was die Leute im Iran machen. Da tauchen Leute in Anzügen und mit Bärten auf und verschwinden wieder … Das ist echt Kafka da.

Was sollte man von „Iran de Luxe“ unbedingt gesehen haben?
Kohlstedde: „Still Life“. Ein Meilenstein. Der Film ist, wie manche in Panahis Reihe, noch vor der Revolution entstanden. Die Zusammenstellung ist ziemlich einmalig, das wird es so schnell nicht wieder zu sehen geben.

Was noch?
Kohlstedde: Den Film von Panahi selbst natürlich, „Closed Curtain“. Da Panahi nicht ausreisen darf, er hat ja keinen Pass, wird der iranische Musiker Mohammad Reza Mortazawi mit seinem „Projekt 20“ auftreten. Da spielt er 20 Minuten lang auf der Tombak, der iranischen Trommel, solo. Eine Minute für jedes Jahr, das Panahi Berufsverbot hat.

Und den Beat dazu gibt Panahis Herzschlag vor. Mortazawi hat ihn extra dafür aufnehmen lassen …
Kohlstedde: Ja, das ist eine schöne Geschichte. So spielen wir nicht nur Panahis Filmtipps ab, er ist auch irgendwie selbst da. Sein Herzschlag jedenfalls ist zu hören.