Das Ensemble Resonanz liefert beim Antrittskonzert mit Tabea Zimmermann eine Galavorstellung gemeinsamen Musizierens ohne Dirigenten

Hamburg. Himmelerde – das Motto für die Saisoneröffnung des Ensembles Resonanz verhieß einen Ort jenseits der Polarität, einen Ort, der beides auf einmal ist, irdisch und transzendent, manifest und ätherisch. Dass das schöne Wort nicht zu viel versprach, konnte man beim dazugehörigen Konzert mit der neuen Residenzkünstlerin Tabea Zimmermann am Dienstag in der sehr gut besuchten Laeiszhalle spüren. Nicht nur die Musiker auf der Bühne schienen mit beiden Beinen fest in den Wolken zu stehen oder der Erdanziehungskraft allenfalls schwebend zu gehorchen. Auch das Publikum folgte dem Geschehen anders als sonst, als sei es auf metaphysische Weise dem gewohnten Platz und der gewohnten Zuhörerhaltung enthoben.

In Paul Hindemiths Trauermusik, vor allem aber in der Bearbeitung von Bruckners Streichquintett F-Dur für Streichorchester, die den zweiten Teil des Konzerts bildete, wuchs das Ensemble Resonanz auf geradezu auratische Weise über sich hinaus. Dass diese Musiker aufmerksam, klangschön und in gemeinsamem Atem mit den Noten, ihren Instrumenten und miteinander umgehen, lässt sich in ihren Konzerten immer wieder erleben. Dass Musik aber im Moment ihrer Klangwerdung durch 22 hochgradig individuell ausgeprägte Charaktere derart zu sich selbst kommt, dass ihr geistiges und seelisches Potenzial sich jenseits von allem Wollen, aller Anstrengung so reich öffnet, das war selbst bei diesem außergewöhnlichen Ensemble bislang eher die Ausnahme.

Mag sein, dass es das besondere Flair der Bratscherin Tabea Zimmermann ist, das alle Überspitzungen, allen unnötigen Druck aus dem Gefüge nimmt. Technische Perfektion, Vielfalt dynamischer Nuancierungen und tonliche Sauberkeit des Zusammenspiels erschienen nicht mehr das Ziel, sie waren Ausgangspunkt des gemeinsamen Musikmachens. Mitglieder des Ensembles erzählen, dass sie die Stücke mit Tabea Zimmermann in sehr unterschiedlichen Tempi probiert hätten. (Auch) daraus ist offenbar eine innere Freiheit und Gemeinsamkeit erwachsen, die schlichtweg wunderbares Musizieren möglich macht.

Allenfalls bei den kleinen, sonderbaren, wienerischen Passagen in den ersten beiden Sätzen, die etwas traurig-ungelenk Tänzerisches ausstrahlen, wie eine Bühnenmusik zu einem Stück von Ödön von Horváth, hätte man sich etwas mehr Schmäh und Verve vorstellen können. Aber vielleicht war es auch richtig so, selbst in diesen Momenten lieber die Musik über sich selbst nachsinnen zu lassen, als sie musikantisch-draufgängerisch zu spielen.

Die Bearbeitung des Quintetts klang auch bei mehr als viermal so vielen Spielern – acht Bratscher teilten sich die zwei Stimmen – kein bisschen breiter oder behäbiger als im Original. Und wer diese zum Sterben schöne, zuerst von der Bratsche ins Spiel gebrachte Melodie im langsamen Satz so vollendet gehört hat wie von Tabea Zimmermann an diesem Abend, der hätte am liebsten bei seinem inneren Festplattenrekorder die Aufnahmetaste gedrückt. Musik für die Insel, lautlos abspielbar, allein in der Erinnerung.

Dem 6. Brandenburgischen Konzert von Bach bekam die Minimalbesetzung mit zwei Solo-Bratschen, zwei Gamben, Violoncello, Cembalo und Kontrabass im großen Saal weniger gut. Die Trennlinien der Stimmen verliefen unscharf, Schwung und Spirit stimmten bei jedem der Spieler, aber es klang nicht zusammen. Sofia Gubaidulinas Meditation über Bachs Choral „Vor deinen Thron tret’ ich hiermit“, fesselnde neue Musik, war bei den Musikern in den besten Händen.

Wie nebenbei zu vernehmen war, greift die Haspa den Resonanzlern für die laufende Spielzeit mit einem sehr namhaften Betrag unter die Arme, dem höchsten, den sie bislang für ein musikalisches Einzelprojekt vergeben hat.