In Hamburg und Kopenhagen gibt es viel Kultur – und ähnliche Probleme bei Großprojekten. Ein Gespräch mit Kulturbürgermeisterin Pia Allerslev

Hamburg. Nordeuropäische Metropole mit einem dekorativen neuen Konzerthaus und mit einer Akustikplanung von Yasuhisa Toyota, das mehrfach mehr kostete als geplant und das deswegen die Betreiber tief in die Miesen trieb? Pff, wie einfach: Hamburg, Elbphilharmonie. Eben nicht. Also, nicht allein. Auch Kopenhagen hat so etwas, seit 2009, das neue Konzerthaus von Danmarks Radio, von Jean Nouvel entworfen. Der Sender musste etliche Mitarbeiter entlassen wegen den Folgen der Preisexplosion. Inzwischen jedoch gilt das Haus wegen seiner klugen Programmpolitik als Publikumsmagnet und ist ständig ausverkauft.

Und dann wäre da noch das neue Opernhaus auf einer vom Stadtkern aus nur schwer erreichbaren Insel, im Volksmund gern „Das Geschenk, das niemand wollte“ genannt. Der Bau wurde von einem steinreichen Reeder bezahlt, für die Betriebskosten fühlte sich der noble Spender dann allerdings nicht mehr zuständig. Der letzte Intendant warf wegen des zusammengestrichenen Etats nach wenigen Monaten das Handtuch, der jetzige, der Deutsche Sven Müller, kann seinem Publikum nur noch vier Premieren pro Saison bieten. 13 Millionen Euro weniger im Opern-Haushalt, 100 Stellen sollen dafür abgebaut werden. Oder das flotte neue Skuespilhuset, 2008 eröffnet, natürlich mit einem „Hamlet“, Shakespeares Dänenprinz-Drama. Auch dort: Streichkonzert, Sparmaßnahmen. Katzenjammer.

Eigentlich erstaunlich, dass Pia Allerslev, seit sechs Jahren Kopenhagens Kulturbürgermeisterin, so konsequent gute Laune demonstriert, wenn man sie auf die kostspieligen, chronischen Pflegefälle im vielfältigen Kulturangebot der dänischen Hauptstadt anspricht. Schlimm, schwierig, unschön, das alles, aber nicht direkt ihre kommunalpolitische Baustelle, sondern Staatsangelegenheiten, ist ihr Tenor. Und ganz unrecht hat sie damit ja auch nicht. „Das Gute an unserer Situation ist, dass wir die Hauptstadt sind, es wird viel von der Regierung bezahlt. Wir haben also mehr, als es sich jetzt anhört.“

Vor zwei Jahren haben Allerslev und ihre Hamburger Kollegin Barbara Kisseler einen „Letter of Intent“ unterzeichnet, die beiden Städte wollen zukünftig gemeinsame Sache machen bei Ausstellungen, Design, Tanz, Festivals, Jazz und ganz generell beim Hübsche-Dinge-mit-Kultur-Planen. Die eine oder andere Veranstaltung ist seitdem hier wie dort passiert; in der nächsten Woche startet im ehemaligen England-Fährterminal am Elbufer das „Unten am Havn“-Festival, zwei Wochen lang, mit durchweg unberechenbaren Musik- und Kunst-Projekten. Kein Mainstream, eher eine Wundertüte, nichts weltbewegend Großes, aber bestimmt viel Eigenwilliges. „Wir haben uns die Bewerbungen angesehen, und was interessant klang, haben wir genommen.“ Für solche Gemeinsamkeiten gibt Kopenhagen in diesem Jahr rund 100.000 Euro aus, Hamburg in etwa den gleichen Betrag, sagt Allerslev, im nächsten wird es in ihrem Budget hoffentlich mehr sein. Ihr Oberbürgermeister sei jedenfalls schon vorgewarnt für die anstehenden Haushalts-Pokerrunden. Die zwei naheliegendsten Fragen sind schnell abgehakt: Was kann Hamburg von Kopenhagen lernen? „Wie man öffentliche Räume nutzt und dort Kultur anbietet, wie man sie für jedermann zugänglich macht, und das gilt auch für die Hochkultur. Darin sind wir hier sehr gut.“ Und woran könnte sich Kopenhagen ein Beispiel nehmen? „Das klingt jetzt komisch, aber: an der deutschen Art, Dinge zu tun. Wenn man sich für etwas entschieden hat, bis zum Ende daran festhalten, egal ob es darum geht, ein Quartier zu verändern oder Musikstadt zu werden.“

Zu den elbphilharmonischen Planungs-GAUs hat Allerslev einen pragmatischen Rat parat, aus der Sicht einer Stadt, die da schon einige Schritte weiter raus ist aus dem selbst verschuldeten Elend. „Man kann nur eine begrenzte Zahl von Rechenfehlern wie die bei der Elbphilharmonie begehen oder wie wir in Kopenhagen. Alle sind sich einig, dass Hamburg viel zu viel Geld für die Elbphilharmonie ausgegeben hat. Aber man kann es nicht ändern. Man muss aber auch die Debatte ändern und mehr darüber reden, wie man Vorhandenes möglichst ausgiebig nutzen kann.“

Aus der finanziellen Not ihres Ressorts eine vorzeigbare Tugend zu machen, das scheint eine von Allerslevs Hauptaufgaben zu sein. Den beschämend kleinen Anteil der Kultur am Hamburger Etat, traditionell bei zwei Komma irgendwas Prozent herumkrebsend, unterbietet sie. Sie habe „die Hälfte“. Und lacht schon wieder, laut und entspannt. Denn offenbar ist sie sehr geschickt beim Ködern privater Geldgeber für ihre Zwecke und Ideen.

Dazu gehört hin und wieder auch die Begrenzung von Folgeschäden jener Fehler, die andere machten: Die Stadt Kopenhagen hat inzwischen für eine Metrostation in der Nähe des DR-Konzerthauses gesorgt und damit für eine deutliche Aufhellung der Stimmung. Derzeit laufen noch die Bauarbeiten für eine Brücke, die den direkten Weg zur neuen Oper drastisch erleichtern und verkürzen wird. Der Preis dafür – den übrigens wieder der besagte Großreeder begleicht – habe sich nicht dramatisch verändert. Glückwunsch, und die Fertigstellung? „Die verspätet sich“, räumt Allerslev ein, leicht amüsiert wegen der offenkundigen Pannen-Parallele zu Hamburgs unvollendetem Konzerthaus. „Momentan sind wir bei sechs Monaten.“ Auf dieser Seite der deutsch-dänischen Kultur-Städtepartnerschaft kann man über solche Verzögerungen längst nur noch müde lächeln.

Festival: „Unten am Havn“, 27.8.–6.9. im früheren Englandfährterminal. Infos: www.unten-am-havn.net