Der amerikanische Geheimdienst finanzierte vor 60 Jahren heimlich eine wissenschaftliche Konferenz. Soziologieprofessorin Christiane Bender hat sich intensiv mit der Geschichte der denkwürdigen Tagung beschäftigt.

Hamburg. „Wissenschaft nur in Freiheit!“, stand über einem Abendblatt-Artikel vom 24. Juli 1953. Es war der Bericht über den Kongress „Wissenschaft und Freiheit“, der am Vorabend im Festsaal des Rathauses eröffnet worden war. „Gäste aus aller Welt, darunter deutsche und ausländische Nobelpreisträger und Schriftsteller von hohem Rang, hatten sich zu einer eindrucksvollen öffentlichen Kundgebung für das hohe Gut der Freiheit zusammengefunden“, heißt es in dem Artikel. Daneben ist ein Foto von der Eröffnung zu sehen, das Hamburgs Bürgermeister Max Brauer, den spanischen Philosophen Salvador de Madariaga, Berlins Regierenden Bürgermeister Ernst Reuter, den Tagungspräsidenten Denis de Rougemont, den amerikanischen Komponisten Nicolas Nabokov und eine „Frau Fleischmann“ zeigt. Sie war die Ehefrau des Amerikaners Julius Fleischmann, der 35.000 Dollar von der CIA über die Farfield Foundation an den „Kongress für kulturelle Freiheit“ weitergeleitet hat. Aber damals ahnt niemand, dass der Kongress vom amerikanischen Geheimdienst finanziert worden ist. Wir sprachen mit der Soziologieprofessorin Christiane Bender von der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr, die sich gerade jetzt intensiv mit der Geschichte der denkwürdigen Tagung beschäftigt hat.

Hamburger Abendblatt: Wie wurde dieser Kongress international wahrgenommen?
Christiane Bender: Als bedeutendes Großereignis, denn für die damalige Zeit war es keineswegs selbstverständlich, dass so viele bedeutende Natur- und Gesellschaftswissenschaftler zu einem Kongress nach Deutschland kamen. Es war eine weltweit beachtete Veranstaltung, bei der es darum ging, die Intellektuellen der westlichen Welt auf eine antikommunistische, antitotalitäre und an amerikanischen Idealen wie Pragmatismus, Individualismus und Freiheitlichkeit orientierte Position einzuschwören. Nach dem Gründungskongress in Berlin und einem Kulturkongress in Paris war Hamburg die dritte Großveranstaltung des Congress for Cultural Freedom (CCF).

Die USA, deren Werte hier propagiert wurden, hatten Deutschland vom Nationalsozialismus befreit. Aber es war ein Land, in dem damals noch Rassentrennung herrschte und ein geistiges Klima, das durch Joseph McCarthy vergiftet war. Gab es auch daran Kritik?
Bender: Das wurde zwar auch diskutiert, aber man machte schon einen großen Unterschied zwischen McCarthy einerseits und der Verfolgung der Künstler und Wissenschaftler in der Sowjetunion und dem Anspruch des kommunistischen Staates, zu diktieren, was Wissenschaft heißt. An dem Kongress nahmen viele Wissenschaftler teil, die früher selbst Kommunisten gewesen waren und unter der Verfolgung in der Stalin-Zeit gelitten hatten, auch daher gab es eine klar antikommunistische Ausrichtung.

Dass der Kongress ausgerechnet von einem Geheimdienst finanziert wurde, hätte man sich damals vermutlich kaum vorstellen können.
Bender: Als der CCF dann 1967 tatsächlich als CIA-gesteuert aufflog, wollten die engsten Mitarbeiter nichts davon gewusst haben. Manche waren tatsächlich ahnungslos, für sie war es ein Schock. Andere hätten es wissen können oder sogar wissen müssen.

Wie kam es zu der Aufdeckung?
Bender: Thomas Braden, der Leiter des „Covert Action“-Departments der CIA, hat die Hintergründe des Kongresses für kulturelle Freiheit 1967 in einem Interview mit der „Sunday Times“ offengelegt.

War das ein Vorgänger von Edward Snowden?
Bender: Eher nicht. Braden war vielmehr stolz auf das, was er und seine Strohmänner im Auftrag der CIA geleistet hatten. Zu dieser Zeit hatte sich die Einstellung gegenüber der CIA aber schon erheblich geändert. Grundsätzlich sah man die USA angesichts der Bürgerrechtsbewegung und des Vietnamkriegs viel kritischer als Anfang der 1950er-Jahre. Damals betrachtete man die CIA noch als notwendiges Instrument im Kampf gegen die Infiltration durch den Kommunismus. Deshalb bestanden eher wenig Berührungsängste. Die deutschen Wissenschaftler litten begreiflicherweise im Kalten Krieg unter Zukunftsängsten, ihre amerikanischen Kollegen besaßen dagegen Sendungsbewusstsein.

Hat die CIA den Hamburger Kongress nur finanziert oder auch inhaltlich Einfluss genommen?
Bender: Es gab einen Verbindungsmann zwischen der CIA und dem Kongress. Der hieß Michael Josselson und hat eng mit dem Kongress zusammengearbeitet. Mit ihm hat man damals zum Beispiel auch die Teilnehmerlisten abgesprochen. Insofern gab es eine gewisse Steuerung. Einerseits wollten die Amerikaner Aufklärung und das kritische Wort, man wollte die hohen europäischen Wissenschaftsideale, freie Diskurse umsetzen, andererseits ging es darum, zu starke Kritik an den USA möglichst zu verhindern. Diese Ambivalenz hat der Kongress nie überwinden können.

Sie haben sich jetzt, 60 Jahre danach, intensiv mit dem Hamburger Kongress beschäftigt. Was kann man aus dieser Geschichte lernen?
Bender: Die damaligen Akteure waren der Meinung, dass der Zweck die Mittel heiligt, nahmen aber in Kauf, dass dabei die Grundwerte der demokratischen Gesellschaft beschädigt wurden.

Sehen Sie Parallelen zur aktuellen Affäre um die NSA?
Bender: Zumindest zeigt sich, dass Geheimdienste offenbar nach wie vor die Grenzen, die ihnen gesetzt sind, überschreiten. In den 1950er-Jahren gab es in Deutschland ein enormes Netzwerk an CIA-Mitarbeitern und Mittelsmännern, die Einfluss genommen und zum Beispiel auch die Wahl von Gewerkschaftsfunktionären vorbereitet haben, immer mit dem Ziel, den Kommunismus zu bekämpfen. Aus heutiger Sicht wirkt das geradezu romantisch und naiv. Damals spielten persönliche Kontakte eine entscheidende Rolle, heute geht es dagegen um anonymisierte Überwachungen, die offenbar ein Ausmaß erreicht haben, das stark an Georg Orwell erinnert und gegen die sich der Einzelne kaum zur Wehr setzen kann.