Spiegel TV, Fernsehableger des Hamburger Nachrichtenmagazins, wird 25. Das Verhältnis zum Haupthaus ist kompliziert

Hamburg. Zu den weniger schönen Eigenschaften von Jubiläen gehört, dass man sich ihren Zeitpunkt nicht aussuchen kann. Hätten die Verantwortlichen von Spiegel TV die Wahl gehabt, hätten sie für dessen 25. Jahrestag wohl kaum den Mai 2013 gewählt.

Denn die Fernsehtochter des Hamburger Nachrichtenmagazins hat schon weitaus bessere Zeiten gesehen. Nach dem Verlust zahlreicher Formate wie der Talkshow von Johannes B. Kerner, der ZDF-Sendung „Lanz kocht“, der „Oliver Pocher Show“, „Spiegel TV extra“, der ZDF-Dokusoap „Tierische Kumpel“ sowie den Nachrichtensendungen auf Vox steht Spiegel TV derzeit nicht gut da. Derzeit arbeiten noch 140 Mitarbeiter für das Unternehmen. Die Erlöse lagen 2012 bei weniger als 40 Millionen Euro. Noch 2009 hatten 308 Beschäftigte einen Umsatz von 53 Millionen Euro erwirtschaftet.

Und dennoch: Es ist schon erstaunlich, was aus dem kleinen Fernsehableger des „Spiegels“ geworden ist, der am 8. Mai 1988 aus einem improvisierten Studio im Chilehaus bei RTL erstmals mit „Spiegel TV Magazin“ auf Sendung ging. Heute gehören zu Spiegel TV die Pay-TV-Kanäle Spiegel Geschichte und Spiegel TV Wissen sowie das Internetfernsehen Spiegel.tv. „Spiegel TV Magazin“ läuft noch immer bei RTL und „Spiegel TV Reportage“ auf Sat.1. Bei Spiegel TV entstehen Auftragsproduktionen wie zuletzt etwa „Gunter Sachs – Der Gentleman-Playboy“ für die ARD. Das Verhältnis der TV-Tochter zum Haupthaus ist über all die Jahre höchst kompliziert gewesen. Einerseits hat Spiegel TV das Nachrichtenmagazin nachhaltig beeinflusst. Mit Stefan Aust und Georg Mascolo brachte der Fernsehableger gleich zwei Chefredakteure des gedruckten „Spiegels“ hervor. Die heutige Auslandsressortleiterin Britta Sandberg kam ebenso von Spiegel TV wie der „Spiegel“-Redakteur Gunther Latsch, der nun stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung der Mitarbeiter KG ist, des Hauptgesellschafters der „Spiegel“-Gruppe.

Andererseits waren den Machern des Magazins die TV-Aktivitäten des eigenen Hauses stets zutiefst suspekt. Es begann damit, dass 1988 die damaligen Chefredakteure Erich Böhme und Werner Funk die Sendungen von „Spiegel TV Magazin“ abnehmen wollten – ein Ansinnen, das Stefan Aust, von 1988 bis 1996 Spiegel-TV-Chefredakteur und von 1996 bis 2007 Spiegel-TV-Geschäftsführer, erfolgreich abwehren konnte. Später schmähte mancher im Haupthaus das mitunter boulvardeske „Spiegel TV Magazin“ als „Rotlicht- und Blaulicht-Sendung“.

Austs Expansionspläne führten gar zu einem heftigen Streit mit dem Hauptgesellschafter. Der Spiegel-TV-Geschäftsführer wollte 2002 zusammen mit der Verlagsgruppe Bauer („Bravo“, „TV Movie“) die damals insolvente Kirch Media (ProSieben, Sat.1) übernehmen. Das scheiterte am Widerstand der Mitarbeiter KG. Ein weiteres Dauerproblem ist, dass die Spiegel-TV-Mitarbeiter – ebenso wenig wie die von „Spiegel Online“ – nicht Teilhaber der „Spiegel“-Gruppe sind. Gesellschafter der Mitarbeiter KG sind ausschließlich die Beschäftigten des Nachrichtenmagazins: Nur sie haben Anspruch auf die jährliche Gewinnausschüttung.

Allen Querelen zum Trotz verlief die Entwicklung von Spiegel TV zunächst höchst positiv. Aust entsandte 1989 drei Tage vor Maueröffnung seinen Reporter Georg Mascolo nach Ost-Berlin. Das führte dazu, dass Spiegel TV vom Mauerfall exklusiv von der Ostseite des Grenzübergangs Bornholmer Straße und noch in derselben Nacht vom Sturm auf die Grenzanlagen am Brandenburger Tor berichtete. Auch beim Sturm auf die Stasi-Zentrale im Januar 1990 war Spiegel TV dabei. Quoten und Renommee der Aust-Truppe profitierten davon gleichermaßen.

Im Juli 1990 ging „Spiegel TV Reportage“ bei Sat.1 erstmals auf Sendung. Mit dem Sendestart von Vox im Januar 1993 folgten drei weitere Magazine. Im Mai 1994 übernahmen die Hamburger gar die komplette Nachrichtenproduktion des Senders. Im selben Jahr stieg Spiegel TV mit dem Sexmagazin „Wa(h)re Liebe“ ins Unterhaltungsfach ein, dessen Flaggschiff von 1998 an die ZDF-Show „Johannes B. Kerner“ war.

Aust strebte stets eine Senderbeteiligung von Spiegel TV an, um mit seinen Auftragsproduktionen nicht vom Wohlwollen großer Fernsehkanäle abhängig zu sein. Deshalb gründete er im Mai 2001, noch vor dem gescheiterten Einstieg bei Kirch Media, den Metropolensender XXP. Partner war dabei die Produktionsgesellschaft DCTP des Filmemachers Alexander Kluge, mit deren Lizenz Spiegel TV auch bei RTL und Sat.1 auf Sendung ist und an der die „Spiegel“-Gruppe eine Minderheitsbeteiligung hält. Bei der Mitarbeiter KG erfreute sich XXP keiner großen Beliebtheit. Sie drängten auf Verkauf. 2006 ging der Sender für 52 Millionen an den Discovery Channel, der aus ihm den Männersender DMAX machte.

Die Konditionen für Auftragsproduzenten haben sich verschlechtert

Spätestens zu diesem Zeitpunkt war das Verhältnis zwischen Aust und seinen Gesellschaftern zerrüttet. Als 2007 auch noch der damalige Geschäftsführer der „Spiegel“-Gruppe Mario Frank Aust zu einer Umstrukturierung von Spiegel TV drängte, legte der im Juli 2007 die Geschäftsführung der Fernsehtochter nieder.

Seither haben sich die Konditionen für Auftragsproduzenten deutlich verschlechtert. Den zahlreichen Auftragsverlusten konnte Spiegel TV bisher nur mit Sparrunden begegnen. Ob DCTP mit Spiegel-TV-Sendungen als unabhängiger Anbieter bei Sat.1 und RTL künftig überhaupt noch auf Sendung gehen kann, ist ungewiss. Sat.1 hat den Marktanteil bereits unterschritten, der große Sender verpflichtet, unabhängigen Dritten Sendezeit einzuräumen. Zudem wird von immer mehr Medienrechtlern bestritten, dass es im Sinne der Medienvielfalt ist, wenn mit der DCTP stets derselbe unabhängige Dritte zum Zuge kommt.

Im Jahr des Spiegel-TV-Jubiläums sind das keine schönen Aussichten.