Im Hamburger Auktionshaus Cortrie geht es um Geschichte, Leidenschaft – und manchmal auch um ziemlich viel Geld.

Hamburg. Mittag bei schönstem Maiwetter. Wen es jetzt nicht nach draußen zieht, sondern in den fensterlosen Logensaal auf der Welckerstraße, der muss verdammt gute Gründe dafür haben. Kurz vor 14 Uhr haben sich etwa drei Dutzend Interessierte hier eingefunden. Generation 50 plus, überwiegend Männer. Auffällig unauffällig steht Sicherheitspersonal bereit, man muss sich ausweisen, erhält dann ein Nummernschild zum Hochhalten und nimmt auf einer der Stuhlreihen Platz. In den nächsten vier Stunden geht es um Kunst und um Geld, um Geschichte und um Leidenschaft und ganz profan auch um Glück oder Pech. Die Hamburger Firma Cortrie hat zu ihrer Auktion geladen, bei der kostbare Uhren versteigert werden. Die größeren Exemplare, aufwendige Tischuhren oder vergoldete Kaminuhren, stehen auf Tischen am Rand des Saals, die kleineren Exponate werden in Vitrinen hinter Glas präsentiert. Etwa 600 Nummern sollen unter den Hammer kommen.

Hier treffen Experten aufeinander, die zu Konkurrenten werden

Der liegt zwar bereit, hat aber offenbar nur noch symbolischen Wert, denn Auktionator Frank Thernes nimmt ihn nicht in die Hand. Im Publikum kennt man sich, nickt sich zu, nimmt aber sonst kaum Notiz voneinander. In der ersten Reihe sitzen die Beauftragten der Telefonbieter. Das übrige Publikum verteilt sich locker im Saal. Hier treffen Experten aufeinander, die in den nächsten Stunden aber vor allem eines sind: Konkurrenten.

Jeder hat einen der dickleibigen Auktionskataloge vor sich, oft mit Einträgen, Unterstreichungen, Notizen und bunten Klebezetteln versehen. Punkt 14 Uhr geht es los, jedes Stück wird mit seiner Nummer aufgerufen, ein Beamer projiziert die entsprechende Abbildung auf eine Leinwand. Die Stimmung wirkt so geschäftsmäßig, routiniert und unaufgeregt, dass der Laie ein bisschen enttäuscht ist. Auktionator Thernes nennt den Mindestpreis. Goldene Taschenuhren aus dem frühen 20. Jahrhundert erscheinen überdimensional auf der Leinwand. Manche sind für 400 oder 500 Euro zu haben.

„Soll er sie doch haben“, zischt ein älterer Herr, der leer ausgegangen war

„Hier liegt ein schriftliches Angebot vor, ich beginne bei 600“, sagt Thernes, und da sich im Saal nichts rührt, bekommt der schriftliche Bieter den Zuschlag. Manche Interessenten haben ihre Gebote auch vorab über Internetplattformen abgegeben. Aber wer im Saal ist, hat die besseren Chancen. Dann wird der erste Telefonbieter aktiv, 3500 Euro will er für eine Schweizer Taschenuhr aus dem 18. Jahrhundert ausgeben. Ein älterer Herr im Saal bietet 3700 Euro. „Bieten sie 3800?“, fragt der Auktionator. Der Mann am Telefon schüttelt den Kopf: „Wir sind raus.“

Die Preise steigen mit der Zeit, und manchmal steigt nun auch die Spannung im Saal sprunghaft an. Für den Laien bleibt es rätselhaft, warum das Publikum bei bestimmten Nummern elektrisiert ist und die Summen in die Höhe schnellen.

Was sind das für Menschen, die an einem schönen Maisonntag – statt an der Alster spazieren zu gehen – mal eben 5000 oder 10.000 Euro für eine Armbanduhr oder eine Kaminuhr ausgeben? „Es sind vor allem Sammler und Liebhaber von feinen Uhren, aber durchaus auch Kapitalanleger“, sagt der Uhren- und Auktionsexperte Dieter Zimmermann, der auf jede Frage eine Antwort weiß. Auch darauf, warum Damenuhren so auffällig weniger bringen als Herrenuhren: „Weil Damen keine Uhren sammeln.“

Nach knapp zwei Stunden betreten zwei Asiaten den Raum, unauffällig nehmen sie auf einer der hinteren Reihen Platz. „Chinesische Bieter spielen eine enorme Rolle. Sie ersteigern hochwertige Uhren, begehrte Stücke aus Glashütte zum Beispiel“, sagt Zimmermann. Tatsächlich wird einer der beiden aktiv, als ziemlich hochpreisige Uhren von Lange & Söhne aufgerufen werden. 6000, 7000, 8000 Euro.

Der Chinese hält seine Bieternummer konstant nach oben, die beiden anderen Bieter im Saal geben auf. „Soll er sie doch haben“, zischt ein älterer Herr, der allerdings schon bei 6500 Euro ausgestiegen war. Eine Beobachtungsuhr von Lange & Söhne kommt für 8000 Euro unter den Hammer, eine Rolex Chronograph aus Weißgold bringt noch glatte 10.000 Euro mehr. Dann wird es still im Saal, denn Auktionator Frank Thernes ruft die Katalognummer 4374 auf, ein Spitzenstück, dessen Mindestpreis mit 19.000 Euro angegeben wird. Auf der Leinwand erscheint eine Uhr, die selbst der Laie nicht nur schön findet, sondern auch für wertvoll hält. Es ist eine goldene Taschenuhr mit Perlenrand und feinster Emaillemalerei, die Kirschpflücker in idyllischer Landschaft zeigt. „Es liegt ein schriftliches Angebot vor, wir beginnen mit 21.000 Euro“, sagt Thernes, der jetzt fast außer Atem gerät. In Tausenderschritten geht es unaufhaltsam nach oben. Ab etwa 40.000 sind nur noch der Chinese im Saal und zwei Telefonbieter im Rennen. Ab 60.000 wird es zum „Gefecht“ zwischen dem letzten Telefonbieter und dem Chinesen, der ungerührt seine Bieternummer mit der 88 hochhält. „In China ist die Acht die Glückszahl. Und zwei Achten sind noch besser“, sagt Auktionsexperte Zimmermann. Als der Chinese den Zuschlag für die Uhr bekommt, gibt es Beifall. „78.000 Euro zum Dritten“, hat der Auktionator gesagt – und anschließend hörbar ausgeatmet.

Infos über Auktionen bei Cortrie im Internet unter www.cortrie.de