Frank Grupe inszeniert das gut besetzte „Acht Froons“ als psychologisch eleganten Krimi am Ohnsorg-Theater

Hamburg. Die Pointe sitzt. Die erste Dame, die in der Kriminalkomödie „Acht Froons“ die Ohnsorg-Bühne betritt, ist ein Mann. Markus Gillich spielt in grauem Kleid und Schürze die gutmütige dicke Köchin Gerda. Ein deutlicher Fingerzeig des Regisseurs Frank Grupe im abgekarteten Spiel um den ermordeten Hausherrn und Schürzenjäger Heiko: Keine Figur ist in diesem Stück so, wie sie auf den ersten Blick erscheint. Jede lügt, hat ein Geheimnis oder verschweigt, was sie weiß.

Die Suche nach der Wahrheit der einzelnen Personen in Robert Thomas’ Stück ist denn auch spannender als die Jagd nach dem Mörder. Sie kommt in den pointiert von Hartmut Cyriacks und Peter Nissen ins Plattdeutsche übertragenen Rededuellen nach gut ibsenscher Technik Szene um Szene ans Licht. Grupe legt den Akzent auf die präzise Zeichnung der unterschiedlichen Frauencharaktere, unterstützt noch durch Christine Jacobs typgerechte Kostüme. Das glänzend aufgelegte Ensemble zeigt sich in Hochform und entfaltet in der düster feudalen Wohnhalle mit Veranda (Sonderapplaus für Bühnenbildnerin Félicie Lavaulx-Vrécourt) streitlustig und unterhaltsam die ganze Skala weiblicher Spielarten.

Beate Kiupel gibt elegant und eisig die berechnende Dame des Hauses auf dem Absprung. Gaby betrügt ihren Mann, genau wie er sie, und denkt nur ans Geld und Erbe. Mit ihrer hysterischen und hypochondrischen Schwester Augustine liegt sie im Dauerclinch. Meike Meiners zeigt nicht nur die unglückliche, verblühte, vergeblich in den Schwager verknallte Schrulle, sondern weiß auch die Situationskomik der Rolle zu nützen. Sogar die heimlich pichelnde Oma (Ursula Hinrichs) hat es faustdick hinter den Ohren: Sie lässt sich im Rollstuhl kutschieren, kommt aber rasch auf die Beine, wenn es um ihren Aktienschatz geht. „Ein Wunder!“, meint die geizige Alte lakonisch.

Die ungemütliche Frauenrunde komplettieren noch die beiden vorlaut ihre Verwandten verhörenden Töchter Susanne (Sonja Stein) und das pfiffige Nesthäkchen Katrin (Julia Hell). Ihnen allen ist das attraktive, aufreizend gestiefelte Dienstmädchen Luise (Birte Kretschmer) ein Dorn im Auge. Sie ist nicht nur schlagfertig und auf dem Quivive, sondern treibt es natürlich mit dem Hausherrn. Dessen lesbische Schwester bringt außerdem noch ungebeten Eifersucht, Hass und Unfrieden ins traute, durch Dauerschnee von der Außenwelt abgeschnittene Heim. Sandra Keck tritt zugleich mondän und provokant auf, raucht, schwenkt das Cognacglas wie ein Kerl. Sie tätschelt schon mal nebenbei, doch eindeutig anzüglich die Wange der Mädchen und reizt ihre treue Geliebte Gerda mit Seitensprüngen. Markus Gillich zeigt zauberhaft mit innig waidwundem Blick, wie einer Küchenfee und verletzten Frau ums gebrochene Herz ist.

Der Regisseur lässt sich auch von François Ozons Verfilmung „Huit Femmes“ mit Catherine Deneuve, Fanny Ardant und Isabelle Huppert inspirieren. Wie Ozon ordnet er den Figuren Blumen zu, die wie in einem Bilderrätsel mal an der Person, auf einem Bild oder auf Petras Lacktasche auftauchen. Er spitzt auch Situationen zu und übernimmt beispielsweise die Kussszene zwischen den Erzfeindinnen Gaby und Petra. Statt auf dem Fußboden wie im Film wälzen sich die beiden auf der Spitzendecke des Tisches. „Wir haben uns nur unterhalten.“

Passend zum Krimi gab es noch „einen richtigen Überfall“ nach der Premiere, wie Senator a.D. Helmut Kern überrascht seine Ernennung zum dritten Ehrenmitglied des Ohnsorg-Theaters bezeichnete. Nach Heidi Kabel und Hilde Sicks soll der Titel Kerns 30 Jahre langen Einsatz und seine Verdienste um das Ohnsorg-Theater als Vorsitzender des Aufsichtsrats und des Vereins Niederdeutsche Bühne würdigen, wie sein Nachfolger Christian Breitzke in der Laudatio ausführte.

Mit unerwarteten Wendungen oder peinlichen Enthüllungen überrascht „Acht Froons“ bis zuletzt und hält die Zuschauer in Spannung, unterstrichen noch durch Patrick James O’Connells ironisch klimpernden Grusel-Soundtrack. Der bittere Witz an Frank Grupes mit Gift und Galle genüsslich inszenierter Familienhölle aus den spießigen 50er-Jahren: In der egomanen, damals zumindest freizügig wirkenden, skandalträchtigen Frauensippe strahlt der einzige Mann ehrliche Fürsorge und Warmherzigkeit aus. Die verkehrte Welt verändert sich zumindest bei diesem mörderischen Theaterspaß ein Stückchen zum Guten.

„Acht Froons“ bis 25.5., Ohnsorg-Theater, Karten unter T. 35 08 03 21; www.ohnsorg.de

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