Theaterintendant sieht sich mit Auftrittsverbot konfrontiert. Rotfloristen sehen ihn als Symbol der Gentrifizierung des Stadtteils St. Pauli.

Hamburg. Es gab Zeiten, da war es für Westeuropäer richtig schwierig, ins sozialistische Kuba einzureisen. Das ist heute anders, auch der Hamburger Corny Littmann genießt derzeit wieder mal die Vorzüge der Karibikinsel. In die Rote Flora im Schanzenviertel zu kommen ist dagegen für manche gar nicht so leicht, in diesem Fall für Littmann.

Der Theater-Impresario (Schmidt und Schmidts Tivoli) und Unternehmer ist bisher als Gast der Veranstaltung "Rio Reiser - Das alles und noch viel mehr" am 24. April im besetzten autonomen Kulturzentrum vorgesehen. Die konzertante Lesung, in dessen Mittelpunkt der 1996 gestorbene Sänger der Band Ton Steine Scherben steht, gehört zur Reihe "Lesen ohne Atomstrom - Die erneuerbaren Lesetage". Seit Anfang dieser Woche ist auf der Website der Roten Flora jedoch eine Mitteilung zu lesen, welche die - orthografisch nicht ganz korrekte - Überschrift "Keine Bühne für Corny Littman" trägt.

Littmann wertete das als Auftrittsverbot. In einem von der Pressestelle seiner Theater verbreitetenoffenen Brief wandte sich der 60-Jährige an die Rote Flora. Darin schreibt er: "Wie sich ein gegen mich gerichtetes Auftrittsverbot mit euren hehren antifaschistischen Ansprüchen verträgt, wie ihr die Freiheit der Kunst definiert, das würde ich gerne erfahren."

Bei der Veranstaltung in der Roten Flora wird der renommierte Musikjournalist Hollow Skai lesen, dessen Rio-Reiser-Biografie ein Bestseller war. Ton Steine Scherben, deren Songs und Parolen wie "Keine Macht für niemand" oder "Das ist unser Haus, ihr kriegt uns hier nicht raus", das Lebensgefühl alter und junger Autonomer beschrieben, Selig-Frontmann Jan Plewka und Littmann sollen singen. Littmann paradoxerweise den Song "Irrenanstalt". Den hatte er 1977 für Rio Reiser geschrieben. Mit dem Sänger verband Littmann in den Anfangsjahren seiner Bühnentätigkeit nicht nur eine enge Zusammenarbeit, daraus wuchs auch eine Freundschaft bis zu Reisers Tod: "Das war der Grund für mich, der Einladung für die Veranstaltung zuzusagen."

Das ist für die Rotfloristen offenbar sekundär. Sie sehen Littmann vor allem als Symbol und mitentscheidende Figur der Gentrifizierung des Stadtteils St. Pauli. Einen Vorwurf, den Littmann als "eine infame abenteuerliche Behauptung, die jeder Grundlage entbehrt, und als Diffamierung" zurückwies. Als ein Gesellschafter der Spielbudenplatzbetreiber GmbH habe er lediglich mit dafür gesorgt, dass die anliegenden Betriebe den Platz bespielen. Auf dem Spielbudenplatz stehen zwei große verschiebbare, mit 2,6 Millionen Euro von Vattenfall gesponserte Bühnen. Auch die Behauptung, er "klüngelt" mit der Bayerischen Hausbau GmbH gegen die Initiative zum Erhalt der Esso-Häuser, wies der frühere Präsident des FC St. Pauli zurück.

Während der Organisator der Lesetage, der Verein Kultur für alle, am Mittwoch keine Erklärung abgab, bedauerte Hollow Skai die Reibereien: "Eigentlich geht es ja ums Lesen ohne Atomstrom und um Rio Reiser", sagte der Autor. "Wir werden den Abend machen, mit oder ohne Corny." Littmann und Skai treffen sich zuvor am 19. April im Schmidt, auch Vertreter der Roten Flora sind eingeladen. Dann soll übers Thema Gentrifizierung debattiert werden - damit die Freiheit in der Kunst womöglich doch noch eine Chance erhält.

"Lesen ohne Atomstrom - Die erneuerbaren Lesetage" 21.-26.4., Eintritt frei; genaue Termine und Orte unter: www.lesen-ohne.atomstrom.de