Ein Kommentar von Tom R. Schulz

Es ist merkwürdig nur auf den ersten Blick, dass die Birdland-Betreiber Dieter und Heidi Reichert nach 28 Jahren nun so gründlich aufhören wollen, dass sie nicht einmal eine Nachfolgeregelung für den Club ins Auge fassen. Sie kennen sich einfach zu gut. Reichert ist Architekt, ihm gehört die Immobilie. Er will nicht alle Nas' lang angerufen und um Abhilfe für diesen oder jenen auftretenden baulichen Missstand gebeten werden. Und er ahnt, dass es die bislang so toleranten Nachbarn vielleicht gar nicht witzig fänden, wenn fortan im Keller von einem Pächter richtig Lärm gemacht würde. Für die Eheleute Reichert ist totale Tabula rasa wohl die einzige Chance, an ein Leben nach dem Birdland überhaupt zu denken.

Doch Hamburgs Jazz-Szene wird leiden, und sie wird es ab November noch mehr, wenn auch der Fools Garden in der Lerchenstraße zumacht. Auch dessen Betreiberin Hanne Mogler führt Alters- und Gesundheitsgründe fürs Aufhören ins Feld. Diese Leute, müde gelaufene einstige Motoren der Hamburger Off-Kultur, sind unsere Mütter, unsere Väter auf andere Art als neulich im TV-Dreiteiler. Immer bereit zur Selbstausbeutung, initiativ, Geld nachrangig findend, idealistisch. Wer hat schon Lust auf die freudlosen Mühen der Ebene des Clubbetreibens? Wie immer liegt in der Krise die Chance: Etwas Neues wird kommen, etwas Neues muss kommen. Und es werden die Jungen sein, die es richten. Sie müssen es.