Mit “Crossing the Elbe“ wird der Lichtkünstler Anthony McCall ab dem 22. März ein Jahr lang am Himmel über Hamburg präsent sein.

Hamburg. Das Kunstwerk, das Anthony McCall ab dem 22. März am Himmel über Hamburg geschehen lässt, ist in seiner Herstellung eigentlich ganz einfach. Man braucht lediglich eine Stadt beliebiger Größe dafür, etwas Luftfeuchtigkeit, drei extrem starke Scheinwerfer auf drei hohen Gebäuden und genau ein Jahr Lebenszeit.

"Crossing the Elbe" wird mit etwas Glück und Geduld zum sehr speziellen Wahrzeichen mit Verfallsdatum werden. Aber viel günstiger als die Elbphilharmonie und viel weniger bodenständig als der Michel. Und wenn man es an einem Abend verpasst - kein Problem, denn am nächsten Abend werden die drei horizontalen Lichtlinien über dem Stadtpanorama wieder da sein. Nur möglicherweise ein ganz klein wenig anders.

Doch dieses Projekt ist natürlich nicht Licht als marktschreierisches Stadtmarketing von der Stange, es ist maßgeschneidert auf den Ort und seinen Charakter. Die Idee dafür entstand beim Nachdenken darüber, was die Internationale Bauausstellung IBA für Hamburg - dies- und jenseits der Elbe - bedeuten kann und soll. "Eine Linie ist ein Ort, die zwei Orte zusammenbringt", sagt McCall zur Erhellung seines bestechend einfachen Konzepts, und mehr muss man wirklich kaum wissen oder verstehen. Alles andere sieht man dann ja, unter freiem Himmel.

Der in London geborene Lichtkünstler aus New York, den Deichtorhallen-Chef Dirk Luckow und der Sammler Harald Falckenberg dazu eingeladen haben, stellt drei starke Scheinwerfer auf den Energiebunker in Wilhelmsburg, das neue "Spiegel"-Haus und auf die Phönix-Hallen in Harburg. Jeden Abend, jeweils 90 Minuten nach Sonnenuntergang, werden sie eingeschaltet. Der Wilhelmsburger Scheinwerfer vollendet im Laufe eines Jahres einen 360-Grad-Schwenk. Die beiden anderen begnügen sich mit 180 Grad. Tagsüber, wenn sie nicht leuchten, finden die Phasenverschiebungen statt. Mal werden sich die Strahlen kreuzen, mal eher nicht. Mal werden sie etliche Kilometer weit zu sehen sein, mal vielleicht nicht.

McCall mag diese Vorstellung schon jetzt. "Kunst muss ja nicht immer dominierend sein. Mir gefällt der Gedanke, dass man etwas erst finden muss." Viele, erst recht wohl viele Touristen, werden sich fragen, was das sein mag und wofür es gut sein soll.

McCall hat dafür ein einziges Wort als ausreichende Begründung: Verbindung. Er will damit Stadtteile verbinden und den symbolträchtigen Sprung über die Elbe quasi im gedanklichen Gleitflug auf einem Lichtstrahl anbieten.

Das Organisatorische im Vorfeld hat der Hamburger Architekt Tim Hupe für ihn übernommen; so macht McCall das immer bei seinen Arbeiten für den öffentlichen Raum, wenn er sich dort nicht auskennt und viele Genehmigungen einzuholen sind. Hupe wiederum kennt sich als Architekt nicht nur mit Formularen und Normen aus. Während seiner Zeit bei den Elbphilharmonie-Architekten Herzog & de Meuron gehörte unter anderem die Münchner Allianz Arena zu seinen Projekten, für die "documenta 12" in Kassel entwarf er die Ausstellungsarchitektur.

International betrachtet, ist McCall alles andere als ein kleines Licht. Seine minimalistischen Arbeiten wurden auch in der Tate Modern in London gezeigt, im New Yorker Museum of Modern Art oder dem Pariser Centre Pompidou. Im Begleitprogramm der Olympischen Spiele in London zauberte er in Liverpool eine Lichtspirale in den Liverpooler Himmel. 1973 trat McCall mit seinem Film "Solid Light Describing a Cone" ins Rampenlicht, einer dreidimensionalen Skizze aus Licht und Schatten. Als unvollendet - die Wirtschaftskrise ließ Sponsoren wegbrechen - findet sich in seinem Werkkatalog der Entwurf für "Crossing the Hudson". Damals wollte McCall ein Jahr lang eine Brücke Stück für Stück mit Licht inszenieren, sechs Monate lang von einem Ufer zum anderen und die nächsten sechs Monate genauso etappenweise wieder verdunkeln.

Seine ebenso elegante wie dezente Kunst, die zwischen Poesie und Physik oszilliert, lebt von Dunst und Liebe zum Detail. So gesehen, ist er quasi der größte denkbare Kontrast zum "Blue Port"-Event, mit dem der Hamburger Lichtkünstler Michael Batz im letzten Spätsommer den Hafen neonblau verspektakelte und zum Bildmotiv machte. Die charmante Ironie dieser Geschichte: Den begleitenden Fotowettbewerb der Stadt gewann ausgerechnet ein Protest-Schnappschuss, auf dem in Batzblau "Fuck U!" stand.

Ob McCalls "Crossing the Elbe" auf Handy-Fotos und YouTube-Videos ein ähnlich drastisches Bild abgibt, wird noch abzuwarten sein, selbst die Scheinwerfer-Lieferanten sind sich noch nicht so ganz über die Wirkung im Klaren, da sie bislang nur Dinge angeleuchtet haben. "Von fünf Kilometer bis unendlich", scherzt McCall, werde die Reichweite sein, auch das ist ein sympathischer Zug dieses Konzepts. Es ist unberechenbar, drängt sich dem Betrachter aber nicht durch seine Farbigkeit auf.

"Ich war nie an farbigem Licht interessiert, das hilft mir bei meiner Arbeit nur wenig weiter." McCall steht auf weißes Licht, leicht silbrig. Ein bisschen wie Mondlicht. Auf die Frage, von wo aus man das Ganze idealerweise besichtigen sollte, brauchbar hohe Berge seien ja selten in diesen Breitengeraden, kontert McCall mit einem sehr basisdemokratischen und sehr philosophischen Zitat des Komponisten John Cage: "Jeder Platz ist der beste."

"Crossing the Elbe": 22.3.2013-22.3.2014. Unter www.crossingtheelbe.com werden die genauen Zeiten sowie ein Blog mit Fotos, Videos und Kommentaren eingestellt.