Das Hamburger Indiepop-Trio Pool hat klein angefangen und dreht jetzt voll auf. Am 13. Februar spielt die Band in der Hanseplatte.

Hamburg. Rock 'n' Roll und ein schön gedeckter Frühstückstisch müssen kein Widerspruch sein. David Stoltzenberg steht am Herd und brät Rührei. So blass und schmal ist er, dass man ihm die baldige Mahlzeit doppelt wünscht. Die Einbauküche hinter ihm scheint warm in mattem Gelb. Die Schränke sind nicht auf retro getrimmt, sondern einfach wirklich alt. Und ein wenig abgerockt. Ganz so, wie drei Jungs um die 20 es eben mögen, wenn sie seit knapp einem Jahr zusammenwohnen, sich aber gefühlt schon ewig kennen.

Nils Hansen kommt die Treppe herunter, klemmt sich die halblangen Haare hinter die Ohren und hockt sich an den Tisch, auf dem Marmelade, Honig und Camembert stehen. Er trägt Jogginghose und Blümchensocken an den Füßen. "Uns extra zu stylen, bevor wir auf die Bühne gehen, das ist unsere Sache nicht", werden sie später erzählen. Und auch das Treffen mit dieser jungen Hamburger Band, die sich Pool nennt, fühlt sich weniger nach offiziellem Termin an, sondern vielmehr nach dem, was es tatsächlich ist: ein WG-Frühstück. Aus einer Porzellankanne, die jeder 50er-Jahre-Kuchentafel zur Ehre gereichen würde, schenkt Stoltzenberg Kaffee ein, als Daniel Husten zur Türe hereinkommt, zwei Brötchentüten in der Hand. Ein großer, schlaksiger Typ mit raspelkurzem Haar. "Sorry, hat etwas länger gedauert. Hier direkt um die Ecke ist ja nichts zum Einkaufen", sagt der 20-Jährige.

"Hier", das ist Othmarschen, wo die drei in einem Reihenhaus wohnen. Und musizieren. Direkt hinter der Küche, einen rau verputzten Flur entlang, liegt der Proberaum, den die Freunde mit doppelten Wänden und dicken Türen schalldicht gemacht haben. Wer sagt auch, dass gute Songs nur jene entwickeln, die nach dem Aufstehen direkt ins nächste Szenecafé auf St. Pauli oder in der Schanze stolpern können?

Dass Pool wirklich gut ist, das zeigen die drei nicht nur diesen Mittwoch beim Konzert in der Hanseplatte. Das haben sie bereits als Support für Digitalism unter Beweis gestellt. Mit den Hamburger Elektro-Jetsettern hat das Trio auch seinen ersten Gig außerhalb Deutschlands gespielt. In Zürich. Vor rund 1000 Leuten. "Das war ein krasser Trip. Wir hatten vorher 40 Stunden nicht geschlafen, weil uns die Hostelpreise in der Schweiz zu teuer waren", erzählt Stoltzenberg. "Ja, ey, Digger, dann sind wir ja noch in diese Vorlesung an der Uni gegangen, um zu pennen", erinnert sich Husten. Der süße Vogel Jugend ist mitunter eben auch ein ziemlich unbequemer.

Husten spielt Schlagzeug. Und das mit großer Präzision und viel Groove, wie jüngst bei der Verleihung der Hamburger Clubawards zu erleben war. Gemeinsam mit Hansen an der Gitarre sowie Stoltzenberg an Bass und Mikrofon entwickelt er einen Sound, der das Lässige mit dem Leichten verknüpft. Wie etwa bei dem neuen Song "Flex". Der elegante, englischsprachige Indiepop mit seinen eingängigen Melodien und interessanten Brüchen führt Pool dieses Jahr auch zum renommierten SXSW-Festival ins texanische Austin.

Die packende Dramaturgie ihrer Lieder entsteht beim Jammen, im Spiel, per Zufall. Ein Wundertüten-Effekt. "Wir sind keine Jungs, die sich hinsetzen, so jeder alleine für sich, und Songs schreiben", sagt Stoltzenberg. Aber in der Zeit, seit sie gemeinsam im Hamburger Westen wohnen, hätte er schon "pervers viel dazugelernt". Auch in Sachen Sozialkompetenz. "Unsere Küche ist mittlerweile betretbar", sagt Husten und lacht. Auf der Fensterbank liegt das Magazin des Gitarrenbauers Fender neben einigen Weihnachtssüßigkeiten. Ein altes Radio. Pokale. Platten. Musikergemütlichkeit, aber kein Chaos.

"Um neun Uhr stehen wir in der Regel auf und treffen uns um halb zehn, zehn im Proberaum", sagt Husten. Wenn ihre Jobs in der Bar und am Bau es zulassen, machen sie dann länger am Stück Musik. "Manchmal geht das aber auch nur für 'ne Stunde", erzählt Stoltzenberg und meint die Tagesform. "Man muss miteinander klarkommen."

Letztlich ist die Geschichte von Pool die einer Hamburger Schülerband, die jetzt den Weg in die Professionalität gehen möchte. Drei Kumpel, die sich beim Rauchen auf dem Schulhof kennenlernten und denen es nach einer Weile zu langweilig wurde, lediglich ein paar schroffe Grunge-Akkorde zu spielen. Die im Sommer lieber in den nahe gelegenen Park gehen, als im In-Viertel einen elitären Künstlerstatus vor sich herzutragen. Die alten Rock von Led Zeppelin ebenso hören wie aktuellen Hip-Hop von Haftbefehl. Und die es nach all den Jahren immer noch mögen, unterschiedlicher Meinung zu sein.

"Eigentlich haben wir nach dem Abi weiter Musik gemacht, weil wir sonst nicht wussten, was wir tun sollen", sagt Hansen und zieht an seiner Selbstgedrehten. "Quatsch, ich wusste schon mit 14, dass ich das professionell machen will", widerspricht Stoltzenberg.

Auf ihrem Weg unterstützt werden sie von der Hamburger Plattenfirma Dynamic, die bereits zwei EPs der Band auf ihrem Sublabel 2Diy4 veröffentlichte. Dass Pool 2012 das Coaching-Programm "Krach und Getöse" des Musikervereins RockCity Hamburg gewonnen hat, dürfte ebenfalls Rückenwind geben. Und ansonsten, da verlassen sich die drei auf den Lauf der Dinge. Mit all seinen Widersprüchen. "Man feiert seinen eigenen Song ab, und zwei Jahre später denkt man: Oh, Gott", sagt Husten und schlägt die Hände überm Kopf zusammen. "Das ist zwischendurch derbe komisch. Aber wir sind noch längst nicht da angelangt, wo wir sein werden, wenn wir sterben."

Pool Mi 13.2., 20.00, Hanseplatte (U Feldstraße), Neuer Kamp 32, Eintritt: 3,-; www.poolofficial.com