Der Singer-Songwriter hat die Straße noch nicht aufgegeben. Für Freitag sucht er sich aber ein Dach überm Kopf und tritt auf Kampnagel auf.

Kampnagel. Die ganze Welt ist eine Bühne. Jedenfalls für einen Straßenmusiker wie Felix Meyer. Fußgängerzonen und Bahnhofstunnel, Straßenmärkte, Parkanlagen oder die U-Bahn sind für ihn Orte, wo er sich niederlässt und hofft, dass man ihm zuhört und die eine oder andere Münze als Anerkennung in den Hut oder den offenen Gitarrenkoffer wirft. Ein Obolus fürs Überleben, manchmal auch für die klamme Reisekasse. Früher waren Straßenmusiker meist ältere Männer mit Schifferklavier oder Drehorgel, heute sind es oft junge neugierige Leute mit Visionen. Die Straße hat Meyer noch nicht aufgegeben, aber an diesem Freitag gastiert er mit seiner Band auf Kampnagel - mit einem Dach über dem Kopf.

Felix Meyer, 1975 in Berlin geboren, macht seit 15 Jahren Musik auf der Straße. Der Sänger und seine vierköpfige Band haben schon ganz Europa bereist. "Wir wollten Urlaub machen, hatten aber wenig Geld", sagt er. Also packte er seine Gitarre ein und sie fuhren los. Im Gepäck ein Repertoire aus gecoverten Songs und auch das nötige Selbstbewusstsein. "Das Schöne an Straßenmusik ist, dass man sehr nah an den Leuten dran ist, dass man auf Augenhöhe agiert und keine Distanz schafft", erzählt Meyer. Geradezu pedantisch wählt der Sänger die Plätze aus. "Man darf sich nie an den Rand stellen und muss genau drauf achten, wie Wege verlaufen", erklärt er.

Immer wieder landet er mit seiner mobilen Band in Lüneburg, diesem malerischen mittelalterlichen Städtchen im Norden Niedersachsens. Dort wird Peter Hoffmann bei einem abendlichen Auftritt auf den Straßenpoeten aufmerksam. Hoffmann ist der Produzent der Teenie-Band Tokio Hotel. Hoffmann bringt den Singer-Songwriter mit seinem Kollegen Franz Plasa zusammen. Der produziert 2010 "Von Engeln & Schweinen", das erste Album des Straßenkünstlers. Die Musiker verkaufen später die CDs während ihrer Auftritte und statt Münzen wechseln jetzt Scheine die Besitzer. Immer häufiger wird Meyer nun zu Klub-Konzerten eingeladen, doch die Straße ist immer noch Inspiration. Hier macht er seine Beobachtungen und findet seine Geschichten, die weit davon entfernt sind, reine Selbstbeobachtungen zu sein.

Dieser wache Blick in den Texten fällt auch Heinz Canibol auf, der mit seinem in der Hamburger Neustadt ansässigen Label 105 Music entscheidend zum Erfolg deutschsprachiger Popmusik beigetragen hat. Sängerinnen und Sänger wie Ina Müller, Annett Louisan, Anna Depenbusch und Stefan Gwildis gehören zu seinem Stall. Canibol ist ein erfahrener Plattenmanager alter Schule, der etwas von Künstleraufbau versteht und ein sicheres Händchen für Talente besitzt. Im vergangenen Jahr nahm er den Barden und seine Band unter Vertrag, im Januar erschien Felix Meyers zweites Album "Erste Liebe/Letzter Tanz", das immerhin Platz 45 der deutschen Albumcharts erreichte.

Meyer schreibt und singt sehr bildhafte Texte wie "Hinterhofkino", er kreiert absurde Szenarien wie Gott und den Teufel beim dienstäglichen Schachspiel, er reimt so schön Sätze "wie Sprechblasen platzen und vor uns auf das Pflaster klatschen". Seine Poesie ist der von Sven Regener nicht unähnlich, wobei Regener bei seinen Songs für seine Band Element Of Crime oft in die Rolle des Verlierers schlüpft. Meyers Poesie hat einen positiveren Grundton. Musikalisch bewegen sich die Songs zwischen Folk, Pop und Chansons. Gespielt werden sie auf akustischer Gitarre, Banjo, Bass und verschiedenen Perkussionsinstrumenten, manchmal mit Verstärker, manchmal ohne. Auf Kampnagel tritt Felix Meyer in diesem Jahr schon zum zweiten Mal auf: "Es ist ein Ort für Zwischentöne. Das macht ihn besonders."

Felix Meyer Fr 21.12., 20.00, Kampnagel (Bus 172, 173), Jarrestraße 19, Eintritt 18,-; www.felixmeyer.eu