Im Nachtasyl projiziert Eike Swoboda aus Ottensen am Mittwochabend Kompositionen von befreundeten Musikern auf die Bühnenwand.

Nachtasyl. Es gibt Menschen, die mögen Maschinen. Sie mögen die Mechanik und Elektronik, die Schalter und Effekte. Doch Eike Swoboda mag Maschinen noch aus einem weiteren Grund. Sie verbinden ihn mit den Menschen, mit der ganzen Welt.

Wer Swoboda in Ottensen besucht, da, wo die Züge vorbeirattern, der erhält schnell den Eindruck, als habe er sich in seiner Wohnung eine kreative Kapsel geschaffen. In einer Ecke, zwischen den Zimmern der beiden Kinder, liegt sein Homestudio. Überall hängen und stehen Dinge. Gitarren und Bässe an den Wänden ebenso Poster von The Cure und Frank Zappa. In einer Vitrine warten Schellenkränze und Rasseln auf ihren Einsatz. Am Boden und in Regalen ruhen schwere Verstärker von Fender und Marantz. Eine künstlerische Schaltzentrale mit Rechner, Retrocharme und Katzenkratzbaum, von der aus der Multiinstrumentalist unter dem Namen Ein Astronaut in die digitalen Weiten des 21. Jahrhunderts aufbricht.

Der 34-Jährige musiziert bevorzugt an altem Gerät. Etwa an einem Akkordeon aus den 50er-Jahren, das er beim Schanzenflohmarkt fand. Oder an einem restaurierten Novaton-Piano aus den 70ern, einem Vorläufer der heutigen Sampler, das Beatle-ähnliche Flöten und Streicher hervorbringt. Doch Swobodas Spezialität liegt darin, sich über die Internetplattform Youtube Gastmusiker zu suchen, deren gefilmte Beiträge er in seine Kompositionen einfügt. Einen Kontrabassisten aus Hawaii zum Beispiel. Eine Sängerin aus Malaysia. Oder einen Thereminspieler aus Mississippi/USA. Rund 130 Künstler rund um den Globus gehören derzeit zu seinem Pool, zu seinem Collaborations Club. Deren Stücke projiziert Swoboda bei Live-Auftritten wie am heutigen Mittwoch im Nachtasyl als Backgroundorchester auf die Bühnenwand. Vor allem aber webt er die fernen Gesänge und Instrumentalpassagen in die Videos auf seinem YouTube-Kanal ein.

"2010 hat die Firma mich eingeladen, ihr Partner zu werden", sagt Swoboda, während er nebenbei mit dem Fuß eine seiner sehr großen, sehr pelzigen Maine-Coon-Katzen streichelt. Der Musiker ist ein schmaler Typ, der so spricht, wie er singt: sehr sanft, aber nicht ohne Nachdruck. Seine Songs, die häufig auf Gitarre oder Piano basieren, erinnern in ihrer somnambulen, sphärischen Art an die eingängigen Experimente von Bands wie Radiohead. Seit er mit YouTube kooperiere, erzählt Swoboda, habe er bessere Möglichkeiten, seine Arbeiten zu präsentieren, sie online etwa direkt mit dem Downloadanbieter iTunes zu verknüpfen. 2011 unterstützte YouTube ihn mit dem Programm "Next Up", das jedem Teilnehmer 20.000 Euro sowie eine Schulungswoche in London bietet. In diesem Jahr wiederum gehörte Swoboda zu den Gewinnern des Förderprojekts Krach und Getöse, das das Hamburger Zentrum für Popularmusik, RockCity, auslobt.

Das Lokale, Verwurzelte ist dem Wahl-Hamburger trotz all der internationalen Vernetzung wichtig. Im Jahr 2000 war er aus dem hessischen Frankenberg mit seiner damaligen Band an die Elbe gezogen. "Ich war vorher schon großer Fan von Hamburger Bands wie Tocotronic, Blumfeld und den Goldenen Zitronen", erläutert Swoboda seine Entscheidung. Bei der Altonaer Band Station 17, in der Musiker mit und ohne Behinderung wirken, absolvierte er ein freiwilliges soziales Jahr und entdeckte dabei seine Liebe zur Kamera. Er produzierte zwei Videoclips für die Gruppe, die im damals noch hochwertigen Musikfernsehen liefen. Von den kleinen Erfolgen inspiriert, studierte er Film an der Hochschule für bildende Künste. Und in Hamburg widmet Swoboda sich auch dem ganz realen kreativen Austausch, etwa bei Sessions mit seiner Instrumentalband Katzenkoenig.

Den Musikerkollegen aus dem Netz, aus seiner virtuellen Community, begegnet Swoboda hingegen selten. Eine Gitarristin aus Israel habe er mal in Hamburg gesehen. Einen Fotografen aus den USA wiederum, der das komplette Artwork für sein Debütalbum "I Turn Around And You're On Fire" gefertigt hat, hat er noch nie getroffen. Dabei schuf der sehr poetische Bilder zu Swobodas Versen. Etwa zu der Zeile: "close and so far apart - and I wonder why". Nah und doch so fern. Fast wie im Internet, dieser Weltmaschine.

Maximilian Hecker, Felix Räuber, Ein Astronaut Mi 12.12., 21.30, Nachtasyl (U/S Jungfernstieg), Alstertor, Eintritt: 14,-; Ein Astronaut im Netz: www.youtube.com/user/einAstronaut