Kunststätte Bossard in Jesteburg erhält heute den Europa-Nostra-Preis für vorbildliche Restaurierung des sogenannten Zweiten Tempelzyklus.

Jesteburg. Gerade weil Restauratoren selten im Mittelpunkt stehen und ihre Arbeit oft kaum bemerkt wird, ist es eine außergewöhnliche Auszeichnung: Im Rahmen einer Feierstunde erhält die Kunststätte Bossard am Freitag den Europa-Nostra-Preis, mit dem das Museum für eine besondere Restaurierungsleistung geehrt wird. Der in Den Haag ansässige Denkmalschutz-Verbund vergibt jährlich den Preis der Europäischen Union für das Kulturerbe. Das Künstlermuseum in Jesteburg erhält die Auszeichnung für die Restaurierung des sogenannten Zweiten Tempelzyklus. 2011 waren das Bayerische Nationalmuseum München und 2010 das Neue Museum Berlin ausgezeichnet worden.

"Wir sind froh und stolz, weil damit die Qualität unserer Arbeit gewürdigt wird. Die Auszeichnung zeigt auch, dass nicht nur große Häuser in dieser Liga mitspielen können", sagt Stefanie Nagel, die Restauratorin und kommissarische Leiterin der Kunststätte. Der aus der Schweiz stammende Hamburger Künstler Johann Michael Bossard (1874-1950) hatte vor etwa 100 Jahren begonnen, auf einem drei Hektar großen Heidegrundstück in Lüllau bei Jesteburg ein aus mehreren Gebäuden und gärtnerischen Elementen bestehendes Gesamtkunstwerk zu schaffen, das heute als Museum zugänglich ist. Für den sogenannten Kunsttempel schuf er drei Gemäldezyklen.

Der besonders qualitätsvolle zweite Tempelzyklus, den Bossard in den Jahren 1926 bis 1929 realisierte, war bereits Ende der 1930er-Jahre ausgebaut und im Atelier des Künstlers gelagert worden. Da sich die Sperrholzplatten, auf denen Bossard die Bilder gemalt hatte, nicht für feuchte Räume eigneten, traten schon bald erheblich Schäden auf. Wie schwierig die Restaurierung werden würde, zeigte ein Gutachten der Universität Oldenburg. Bevor Stefanie Nagel die Malschichten konservatorisch behandeln konnte, musste das Trägermaterial stabilisiert werden. Den Auftrag dafür erhielt das Hamburger Restauratorenatelier Burchard und Seyer. "Die mittlere Schicht des Sperrholzes hatte sich großflächig gelöst. Normalerweise hätte man die Schichten beim Neuverleimen mithilfe von Schraubzwingen zusammenpressen müssen, doch diese Methode ließ sich hier nicht anwenden", erklärt Hans Martin Burchard, der sich nach einer Tischlerlehre zum Restaurator weitergebildet hatte. Sein Partner Tobias Seyer hat neben einer handwerklichen auch eine akademische Ausbildung durchlaufen. Er ist Master of Arts für Konservierung und Restaurierung. Seyer schlug schließlich ein außergewöhnliches Vakuumverfahren vor, das er während eines Auslandspraktikums in den USA kennengelernt hatte. Durch das Absaugen der Luft entstand ein Vakuum, das die Sperrholzplatten bis zum endgültigen Trocknen des Leims in der richtigen Position fixierte. So kamen bei der aufwendigen Restaurierung, an der mehrere Partner beteiligt waren, nicht nur traditionelle, sondern auch innovative Techniken zum Einsatz.

Historische Fotografien aus den 1930er-Jahren machten es anschließend möglich, den Zyklus wieder in seiner ursprünglichen Form im Raum anzubringen. Die Qualität dieser von mehreren Sponsoren geförderten Gemeinschaftsleistung bewog die internationale Jury dazu, aus dem Kreis zahlreicher Anwärter die Kunststätte Bossard für den Europa-Nostra-Preis auszuwählen.

Bereits im Juni fand in Lissabon die internationale Preisverleihung statt. Stefanie Nagel, Hans Martin Burchard und Tobias Seyer reisten damals in die portugiesische Hauptstadt zum Festakt im weltberühmten Hieronymus-Kloster. Die nationale Preisverleihung heute wird vor Ort in Jesteburg gefeiert. Claus-Peter Echter, Vize-Präsident von Europa Nostra Deutschland, wird sprechen und Stefanie Nagel wird erklären, worin die Herausforderung dieses besonderen Restaurierungsprojekts bestanden hat.