“Jauchzet, frohlocket“, schallt es wieder durch die Stadt. Was die Aufführungen und Chöre unterscheidet.

Hamburg. Kennen Sie das Weh-oh? Bestimmt - nur nicht unbedingt in dieser Aussprache. Geschrieben heißt es "WO" und steht unter Musikern für das vermutlich meistgespielte Werk der Kirchenmusik, zumindest der protestantischen: das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach, der selbst mitunter und durchaus zu Recht als der fünfte Evangelist bezeichnet wird. Selten ist eine Kirche voller, als wenn Werke von Bach gespielt werden, und ganz besonders beim "WO" - okay, blei-ben wir hier beim gutbürgerlichen Weihnachtsoratorium.

In der Adventszeit wird Hamburg seinem Ruf als Welthauptstadt der Kirchenmusik wieder alle Ehre machen, wenn das "Jauchzet, frohlocket" in gefühlt jedem Stadtteil erklingt. Aber beim Blick auf die Ankündigungen geht es schon weiter mit den Hieroglyphen. Was heißen eigentlich die römischen Ziffern? "I - III" steht da meist, sehr viel seltener "IV - VI", manchmal auch "I - III, VI" und ähnliche Kombinationen. Jede der Ziffern steht für eine der sechs Kantaten, aus denen das Weihnachtsoratorium zusammengesetzt ist.

Die Aufteilung hat ihren Sinn; ursprünglich wurden die Kantaten über mehrere Tage verteilt zwischen dem 25. Dezember und 6. Januar aufgeführt. Heutzutage gibt man sich gern die volle oder eben halbvolle Dröhnung. Wobei es ausgemacht schade ist, dass die Juwelen aus der zweiten Hälfte so viel seltener zu hören sind: die "Echo-Arie" etwa, die sich so herrlich als Dialog von Solosopran, Solooboe und einer Choristin im Raum inszenieren lässt. Oder das Terzett "Ach, wenn wird die Zeit erscheinen" mit den Einwürfen "Schweigt!" des Alt. Und natürlich der Schlusschor der sechsten Kantate, ein wahres Trompetenkonzert und der festliche Ausklang des Werks.

Aber wie stets im Leben sind die besten Stücke immer frühzeitig weg. Wer etwa am 7. Dezember Thomas Hengelbrock, den Chef des NDR Sinfonieorchesters, in der Laeiszhalle mit seinem exquisiten Balthasar-Neumann-Chor und Balthasar-Neumann-Ensemble erleben will, muss sich sputen.

Besonders anrührend klingen häufig Knabenstimmen. Der Neue Knabenchor Hamburg, ein Jahr jung, singt an diesem Wochenende in Altona und Fuhlsbüttel. Frisch trotz seiner 50 Jahre ist dagegen der Hamburger Knabenchor St. Nikolai, zu hören am 8. Dezember in der gleichnamigen Hauptkirche.

Und was wäre die Vorweihnachtszeit in Hamburg ohne den Michel? Ein ganzes Wochenende voller Weihnachtsoratorium, sozusagen ein "WE" mit "WO", bietet am vierten Adventswochenende der Chor St. Michaelis unter der Leitung Christoph Schoeners, gleichsam in Vollfettstufe: Passend zur neobarocken Pracht des Raums gesellen sich zum riesigen Chor ein in fast sinfonischer Stärke besetztes Orchester und exquisite Sänger, darunter die schwedische Sopranistin Susanne Rydén. Die Kantaten I bis III gibt es dreimal, allerdings gibt es nur für eine der Aufführungen noch Restkarten, Nummer IV bis VI gibt es zweimal.

Wer es lieber etwas filigraner und historisch fundierter haben möchte, der ist in St. Johannis Harvestehude gut bedient. Christopher Bender dirigiert den Chor St. Johannis, das Elbipolis Barockorchester und ein feines Solistenensemble. Da steht nun in der Ankündigung mal gar keine römische Ziffer. Will heißen, sie spielen alle sechs Kantaten. Drei Stunden auf der Kirchenbank - und voller Genuss.

Neuer Knabenchor Hamburg Sa 1.12., 19.00, Hauptkirche St. Trinitatis Altona u. So 2.12., 17.00, St. Marien Fuhlsbüttel-Ohlsdorf, Eintritt jew. 24,- Hamburger Knabenchor St. Nikolai Sa 8.12., 19.00, Hauptkirche St. Nikolai (Harvestehuder Weg 118), Eintritt 22,- bis 32,- Balthasar-Neumann-Chor Fr 7.12., 20.00, Laeiszhalle, Hörplätze zu 11,- Chor St. Michaelis Sa 22.12., 18.00 und 20.30 (Restkarten); So 23.12., 18.00, St. Michaelis, Eintritt 8,- bis 45,- bzw. 8,- bis 40,- für Kantaten IV bis VI Chor St. Johannis Sa 22.12., 19.00, St. Johannis Harvestehude, Restkarten zu 18,- bis 24,-