Sieben Jahre geduldiges Warten auf neue Songs belohnte die Berliner Band mit zwei Stunden konzertantem Ausflug in den Sommer.

Hamburg. November? Wieso November? Und was meint der Kalender mit Montag? Wenn Seeed spielt, sind tatsächliche Jahreszeit und Wochentag egal. Für knapp zwei Stunden ist Sommerabend, Sonnabend, Strand unter den Füßen, Palmen im Blick. In der einen Hand ein Cocktail, in der anderen eine - hüstel - Zigarette. Und "dann hörst du irgendwie von irgendwo so heiße Musik".

Montag in der O2 World zu sein, das ist so ein kurzer Ausflug in den Sommer. Die brüllvolle, seit Wochen ausverkaufte Halle wird zum tropischen Strandklub, mit den ersten Tönen, die man von den "Dancehall Caballeros" hört, sind alle auf den Beinen. Der Bass pumpt aus den Boxen, dass die Kronen in den Zähnen und die Getränke im Becher vibrieren. Es ist laut.

Und die Hamburger sind in Urlaubsstimmung. Ganz unhanseatisch gibt die gesamte Halle von Minute eins an jegliche Reserviertheit auf, johlt, tanzt, feiert. Sieben lange Jahre haben die Fans auf neue Songs gewartet. Und ihre Reihen haben sich 2012 mit dem schlicht "Seeed" genannten vierten Album noch verstärkt. Das fällt auch in Hamburg auf: Die Spanne reicht vom Urpublikum, das sich schon im Shuttlebus zur Arena an früher erinnert, als Seeed noch vor einer Handvoll Menschen gespielt hat ,über Anhänger von Pierre Baigorrys Solokarriere als Peter Fox bis zu Teenies, die sich bei neuen Songs wie "Molotov" und dem Brecher "Augenbling" die Sonnenbrillen aus den Haaren schütteln.

Ja, Seeed ist im Mainstream angekommen, zieht ein bunt gemischtes Publikum an. Doch geschadet hat es der 13 Mann hoch auf der Bühne stehenden Band nicht. Mag auch der eine oder andere etwas betrübt sein, dass die Zeiten vorbei sind, als das Kollektiv noch ein Geheimtipp war, an der Qualität der Songs hat sich nichts geändert. Und live machen die Herren sowieso ein Fass Jamaica-Rum auf wie eh und je. "Dickes B" zum Beispiel ist und bleibt ein unzerstörbarer Überhit. Gerade wenn er mit M.I.A.s "Paper Planes" verquirlt und als Bonus noch die Seeed-Version von "Sexy Back" hinten drangeklöppelt wird: "Wir komm' in eure Stadt / Unsere P.A. hat 100 000 Watt / Wir nehm' den Typen ihre Bräute ab": ja, kein "Ding", glauben wir.

Die holde Weiblichkeit ist schließlich das Lieblingsthema von Baigorry, von Boundzound alias Demba Nabé und von Frank A. Dellé, den drei Frontmännern. Man könnte auf die Idee kommen, ihnen Sexismus vorzuwerfen, doch das wäre ein zu harsches Urteil. Sie sind große Jungs, fasziniert von schönen Frauen und sich dessen durchaus bewusst: Charme und selbstironisches Augenzwinkern wiegen das gockelige Gehabe mehr als auf. Und so haben sie auch keine Schwierigkeiten, für den "Dancehall Queen Contest" drei Kandidatinnen zu finden, die zum Peter-Fox-Titel "Schüttel deinen Speck" auf der Bühne tanzen. Die kurz danach vom Publikum mit stürmischem Jubel zur Gewinnerin gekürte junge Dame springt denn auch gleich fröhlich in den Handstand und hopst über die Bühne.

"Wir sind Seeed, da gibt's nix zu googeln" heißt es in "Seeeds Haus". Doch: Konzerttermine in der Nähe, die noch nicht ausverkauft sind.