Beim mehr oder minder geheimen Hamburger Klubkonzert von Seeed im Gruenspan gab es nur vor der Tür lange Gesichter

Hamburg. Quizfrage: Was passiert, wenn eine Band, die gerade ihr erstes Album seit sieben Jahren veröffentlicht hat und deren Hallenkonzert in der O2 World bereits nahezu ausverkauft ist (Kapazität: 12 500 Zuschauer), zu einem Klubauftritt ins Gruenspan (Kapazität: 800 Zuschauer) kommt?

Richtig, es bilden sich Schlangen. Und zwar laaaaange. Bereits anderthalb Stunden vor Einlass zum erst kurzfristig bekannt gegebenen Konzert von Seeed am Mittwochabend reiht sich eine Menschenmenge um den Klub und die Simon-von-Utrecht-Straße hinunter, dass man spontan an eine Bananenlieferung in der DDR oder ein neues i-Irgendwas von Apple denkt. Und man fragt sich unwillkürlich, worauf die Leute am Ende des Fan-Wurms, kurz vor der Kreuzung Talstraße, hoffen: göttliche Intervention? Spontane Vergrößerung des Klubs à la Mary Poppins' Handtasche? Oder kollektiven Harndrang in den vorderen Reihen?

Wer es - sei es durch frühzeitiges Erscheinen oder durch im Radio gewonnene Tickets - ins Gruenspan geschafft hat, kann sich jedenfalls glücklich schätzen. Er bekommt nicht nur einen spontanen Drei-Minuten-Auftritt der Band vor der Tür, nachdem der Einlassstopp verkündet wurde. Er bekommt 75 Minuten lang das volle Paket Seeed. Und das macht beim Auspacken mächtig Spaß: Auf der Bühne ist es fast genauso voll wie davor, 13 Mann hoch stehen die "Music Monks" vor ihren Fans. Und schnell ist klar: Seeed ist nicht nur hier, um das neue, gleichnamige Album vorzustellen. "Beautiful", "Molotov" und das brachial nach vorn gehende "Augenbling" reihen sich gleichberechtigt zwischen ältere Songs wie "Aufstehn!", "Großhirn", "Waterpumpee" und die einzige Berlin-Hymne, die auch in Hamburg begeistert mitgesungen wird, "Dickes B". Alle Songs präsentieren sich musikalisch aufgefrischt, auch die Zweitkarriere von Frontmann Pierre Baigorry alias Peter Fox wird solidarisch gleich mit verbraten: "Schüttel Deinen Speck".

Die "Dancehall Caballeros" haben nichts verlernt in den Jahren der getrennten Wege. Fox, Demba Nabé und Frank A. Dellé gießen immer noch verbales Öl ins Feuer, das die Musiker hinter ihnen mit Wucht anfachen. Dazu kommen exzellenter Sound und ein textsicheres Publikum, das ihre Anwesenheit genauso feiert wie die ihrer Band - verständlich, wenn man mehrere Stunden lang angestanden hat. Viel mehr kann man jedenfalls von einem Konzert kaum noch erwarten.

Seeed hat ein Zeichen gesetzt, lautstark unter Beweis gestellt, dass die elf Jahre alte Maxime "Wir sind Seeed und das ist unser Gebiet" immer noch überall da Gültigkeit hat, wo die Berliner auf die Bühne treten. Das gilt für die großen Hallen. Und noch viel mehr für die kleinen Klubs, in denen man von der Präsenz der Band regelrecht überrollt wird.

Seeed Mo 26.11., 20.00, O2 World (S Stellingen/Shuttlebus), Sylvesterallee 10, Restkarten ab 40,50 über die Bandwebsite: www.seeed.de