Nicolas Altstaedt spielt mit dem Geiger Pekka Kuusisto in der Laeiszhalle. Sein Credo: den Zuschauer nicht unterschätzen!

Laeiszhalle. Er ist jung und voller Optimismus. Das erkennt man an seinem Programm. Nicolas Altstaedt hat vor, in Hamburg Stücke von Nico Muhly, Raphaël Merlin, Esa-Pekka Salonen, Maurice Ravel, Carl Vine und Zoltán Kodály zu spielen, gemeinsam mit seinem Freund, dem finnischen Geiger Pekka Kuusisto. "Man macht die Dinge, die einen glücklich machen", sagt der 30-Jährige.

Zurzeit mache es ihn besonders glücklich, mit Kuusisto zu konzertieren, und wenn der etwas mit Elektronik machen wolle - bitte! So sind also die Stücke von Muhly und Vine ins Programm gekommen. Und die anderen? "Die C-Dur-Sonate von Ravel wollten wir immer schon zusammen spielen und das Kodaly-Duo auch", sagt Altstaedt, "dazu kommt noch etwas aus unseren Ländern." Die beiden Salonen-Stücke stehen also für Finnland, der Merlin für Altstaedts zweite Heimat Frankreich.

Einfach wird es für das Publikum nicht. Während der berühmte Kollege Gregor Piatigorsky über diese Auswahl nur den Kopf geschüttelt hätte - er verfuhr sein Leben lang nach dem Motto "Undankbare Musikwerke sollten vermieden werden" -, hält Nicolas Altstaedt nicht viel davon, die Zuhörer zu unterschätzen. Das ist eine der Quintessenzen, die er aus Lockenhaus mitbringt, diesem Städtchen an der österreichisch-ungarischen Grenze, in dem der Geiger Gidon Kremer 1981 ein Internationales Kammermusikfest begründete, dessen Leitung Altstaedt 2012 übernahm.

In Lockenhaus, wo die Künstler ohne Gage auftreten, lebt das Programm von Uraufführungen und Auftragswerken. "Manche Konzerte", sagt Altstaedt, "sind wie Sneak-Previews: Die Zuhörer wissen nicht, was kommt, sie werden mit Komponisten konfrontiert, von denen sie noch nie gehört haben." Und das funktioniert? "Das funktioniert sogar ganz hervorragend." "Über das Instrument offen bleiben", nennt er solche Experimente, an denen er sich nach Kräften beteiligt, "denn ich könnte niemals nur Solokonzerte spielen."

Er ist bereits hoch dekoriert. Gefördert von der Stiftung Deutsches Musikleben, die ihm auch das kostbare Lupot-Cello zur Verfügung stellte, wurde der gebürtige Heidelberger zuletzt mit dem Credit Suisse Young Artist Award ausgezeichnet, einer Art Siemens-Preis für den Nachwuchs. Einen Großteil der 75 000 Schweizer Franken Preisgeld hat Altstaedt gleich in die Produktion der Killmayer/Schumann-CD gesteckt, die er mit dem argentinischen Pianisten Jose Gallardo einspielte. Dass der weit über 80-jährige Wilhelm Killmayer zur ersten Einspielung seiner fünf Romanzen und acht Bagatellen für Klavier und Violoncello nach Berlin kam, empfand Altstaedt als Ehre.

Insider wissen natürlich, dass es noch einen weiteren Altstaedt gibt. Den zwei Jahre älteren Bruder Christoph, der sich zum Pianisten ausbilden ließ, dann die Dirigentenlaufbahn einschlug und heute an der Deutschen Oper am Rhein arbeitet.

Dabei sind die Eltern der Altstaedt-Brüder Mediziner; die Musik war zu Hause nur eine schöne Nebensache: "Mein Vater hat Klavier und Cello gespielt." Und weil der Bruder mit Klavier anfing, blieb für den Kleinen das Cello übrig? "So ungefähr." Nicolas Altstaedt ist sichtlich amüsiert. Nein, sagt er, so weit er wisse, hätten sich die Eltern auch niemals um das Auskommen ihrer Söhne gesorgt. "Wir waren völlig frei zu tun, was wir tun wollten."

In Heidelberg geboren, in Gütersloh aufgewachsen - zweisprachig, die Mutter ist Französin -, lebt Nicolas Altstaedt seit seinem Studium in Berlin, am Prenzlauer Berg. Natürlich spielt er nicht immer und nur Zeitgenössisches, auch mal Haydn, Beethoven oder Dvorak. Das Repertoire ist riesig. Die Antwort auf die Frage, warum sich Mozart für das Cello offenkundig nicht interessierte, weiß auch Altstaedt nicht. Das bleibt ein Rätsel der Musikgeschichte.

Nicolas Altstaedt (Violoncello)/Pekka Kuusisto (Violine) heute, 20.00 Kleine Laeiszhalle (U Messehallen), Gorch-Fock-Wall, Eintr. 11,- bis 39,-