Die Bewegungsbilder in “Préludes CV“ spiegeln Wendungen und Zufälle im Lebenslauf

Beim Hören von Lera Auerbachs Préludes für Violine und Klavier kamen John Neumeier Bilder in den Kopf und Gefühle in den Sinn. Er bestellte bei der in Amerika lebenden russischen Komponistin einen weiteren Zyklus, diesmal für Cello und Klavier. Seine Assoziationen zu der mit verschiedenen Stimmungen, kompositorischen Formen und Stilen spielenden Kammermusik und die unterschiedlichen Persönlichkeiten seiner Tänzer inspirierten den Choreografen zu einer flüchtig und traumartig vorbeigleitenden Szenencollage aus mal eindeutigen, mal mysteriösen Beziehungskonstellationen und wechselnden Bewegungsbildern.

Der Titel des getanzten Bilderreigens ist zweideutig. Einmal ist er als Kürzel für Lera Auerbachs zweiteilige Auftragsarbeit aufzufassen. Sie besteht aus 24 Préludes für Violoncello und Klavier und 24 Préludes für Violine und Klavier. "CV" bedeutet aber auch Curriculum Vitae, also Lebenslauf - oder, noch allgemeiner, Lauf des Lebens.

Die Uraufführung in Neumeiers Bühnenräumen, Choreografie und Kostümen eröffnete am 22. Juni 2003 die 29. Hamburger Ballett-Tage. Das Abendblatt nannte das Werk ein "Ballett für Fantasiebegabte". Was durchaus im Sinn seines Schöpfers liegt: "Es ist ein Ballett ohne Handlung und doch voller Handlung", sagt Neumeier über sein Opus 125. "Préludes CV" entspinnt sich im direkten Dialog zwischen den Musikern auf der Bühne und den Solisten der Compagnie, enthält vermutlich versteckt oder verfremdet Anspielungen auf Biografien oder Liebesgeschichten aus dem Ballettsaal. Es besticht durch Neumeiers experimentelle Ideen und eine passagenweise neuartige Bewegungssprache. Das raffinierte Zusammenspiel aus Bild, Bewegung und Auerbachs linienklaren, melodisch farbigen und vielgestaltigen Charakterpiecen bringt nicht nur die Protagonisten, sondern auch die Fantasie des Zuschauers zum Tanzen. Sie können die Szenen auch als innere Monologe verstehen. Als getanzte (Wunsch-)Vorstellungen. Oder als Lieder ohne Worte.

"Préludes CV" 8.1.2013, 19.30 (Wiederaufnahme), Staatsoper. Karten zu 4,- bis 79,-, auch für 9.1.2013, 19.30; weitere Vorstellungen am 11. u. 13.1.2013, jeweils 19.30., Karten zu 4,- bis 89,-, sowie am 12.1.2013, 19.30, und 29.6.2013, 20.00, Karten zu 5,- bis 97,- unter T. 35 68 68