Einst Gagschreiber, dann Bestsellerautor: Tommy Jaud, der “Chronist der Peinlichkeiten“, hat einen neuen Roman geschrieben.

Hamburg. Tommy Jaud ist berühmt, doch kaum bekannt. Er wird beneidet und belächelt. Beneidet, weil er so unfassbar erfolgreich ist, belächelt, weil seine Bücher nicht als Literatur gelten, sondern als Comedy. Jaud zeigt sich selten, gibt kaum Interviews, geht nicht ins Fernsehen. Obwohl er dort jahrelang gearbeitet hat. Als Gagschreiber für die Harald-Schmidt-Show, für Anke Engelke, Christoph Maria Herbst, Bastian Pastewka, "Die Wochenshow" beispielsweise.

Dann fing er an, Romane zu schreiben, die sich allesamt monatelang an den Spitzen der Bestsellerlisten hielten, grellbunte Cover hatten und Titel trugen wie "Vollidiot", "Resturlaub", "Hummeldumm" oder "Millionär". Ein Werbespruch wie "Nicht alle Männer sind Idioten. Manche sind Vollidioten" sprach offenbar vielen Menschen aus dem Herzen.

5,5 Millionen Exemplare seiner vier Romane, in deren Mittelpunkt ein ziemlich bescheuerter Held steht, haben sich seit 2004 verkauft. "Der Spiegel" nannte Jaud den "Chronist der Peinlichkeiten" - er ist ein Chronist, der mit schlafwandlerischer Sicherheit den Massengeschmack trifft.

Seit vorgestern ist ein neuer Jaud-Roman auf dem Markt. Der Buchhandel darf sich freuen. "Überman" ist die dritte Episode mit "Vollidiot"- und "Millionär"-Lebenskünstler Simon Peters. Der hat nun seine im Vorgängerroman ergatterte Million mithilfe seines griechischen Finanzberaters und Fehlinvestitionen in Magerschweine oder rumänische Waldfonds erfolgreich vernichtet und muss sogar noch Steuerschulden in sechsstelliger Höhe nachzahlen.

Die versprochene Weiterbildung seiner Freundin Annabelle zur Internationalen Weinwirtin kann er nun wirklich nicht bezahlen. Geschweige denn sein Penthouse. Allerdings darf Annabelle davon nichts wissen. Peters hat nur eine Woche Zeit, viel Geld zu besorgen, sonst droht ihm der private Weltuntergang. Die "Überman"-Schlafmethode soll ihm da zu Hilfe kommen, sowie die erfolgreiche Klage gegen ein in 30 Minuten, anders als versprochen, nicht zu fertigendes Jamie-Oliver-Rezept.

Man könnte nun spotten und im Hinblick auf Jauds Bücher abfällig von Fast-Food-Lektüre sprechen. Man könnte aber auch feststellen, dass etwas Leichtes für zwischendurch manchmal gar nicht so verkehrt sein muss.

Hamburger Abendblatt: Sie geben nicht gerne Interviews. Warum?

Tommy Jaud: Also meistens bin ich dann einfach schon beim nächsten Projekt im Kopf.

Sind Sie schüchtern? Warum haben Sie lange Zeit für andere geschrieben?

Jaud: Ich würde sagen: Ja. In jedem Fall bin ich keine Rampensau. Vor vielen Leuten aufzutreten fällt mir nicht immer leicht, wenn ich dann aber erst mal da sitze oder stehe und lese und die Leute lachen höre, dann macht es natürlich Spaß.

Mögen Sie Mario Barth? Mit dem werden Sie von vielen Verächtern des leichten Humors oft in eine Schublade gesteckt.

Jaud: Ich mag ihn. Aber zuerst find ich`s mal cool, dass er ein Stadion füllt mit einer One-Man-Show und sein Ding durchzieht. Ob wir in einer Schublade sind, weiß ich nicht, vielleicht eher im gleichen Boot. Der sogenannte leichte Humor hat's halt ein bisschen schwer in unserem Stechuhr-Schlips-Land.

Zusammen mit so jemandem wie Mario Barth definieren Sie den Humor der Deutschen, ist manch einer geneigt zu sagen. Richtig?

Jaud: Falsch. Es gibt jede Menge andere Künstler und Humoristen mit komplett anderen Humor-Farben, die sind genauso wichtig oder wichtiger: Rainald Grebe, Olaf Schubert, Erwin Pelzig, Caroline Kebekus - um nur einige zu nennen. Und natürlich Loriot, aber das ist ja nun wirklich eine Weile her.

Fühlen Sie sich manchmal verfolgt von Journalisten, die Ihren riesigen Erfolg kaum fassen können und kopfschüttelnd am Massengeschmack der Deutschen mäkeln?

Jaud: Ich denke, die fühlen sich eher von mir verfolgt und den riesigen gelben oder orangen Buchstapeln mit Tieren und Füßen drauf. Wäre ich Journalist, würde ich in jedem Fall auch dagegen vorgehen! Denn wie kann etwas gut sein, wenn es der breiten Masse gefällt?

Jetzt sind Sie ironisch! Aber zu Recht. Lesen Sie die Feuilletonteile der Zeitungen?

Jaud: Wenn ich mir mal eine Zeitung hole am Wochenende oder so, dann lese ich auch da rein, klar. Ist aber, was für eine Überraschung, nicht wirklich meine Welt.

Wo holen Sie sich das Feedback, das jeder Autor braucht?

Jaud: Das Feedback ist recht schlau und sucht sich seinen Weg zu mir alleine. Viel Feedback gibt's auf Lesungen, aber da kommen natürlich meist nur Leser, die mich mögen. Ab und zu mal bei Amazon vorbeizuschauen schadet auch nicht, da sind viele Rezensionen bei, die wirklich was nützen. Und dann gibt es natürlich noch Freunde und Bekannte, und die sind, Gott sei Dank, noch immer hemmungslos ehrlich.

Ist das Schreiben für Sie ein feierlicher Prozess?

Jaud: Es ist eher eine ganz normale Arbeit. Ich gehe morgens ins Büro und komme abends wieder. Ich überweise mir sogar ein Gehalt, um eine Anstellung zu simulieren und - wer weiß, vielleicht kommt ja nächstes Jahr die Stechuhr.

Um Sie mal, auch aus den ach so heiligen Hallen des Tageszeitungsfeuilletons heraus, zu loben: Die Gagdichte in Ihren Büchern ist wirklich bemerkenswert - durchaus aber auf Kosten des Überraschungseffekts. Man sieht den Gag förmlich kommen. Wird Originalität überbewertet?

Jaud: Das ist eine ziemlich fiese Frage, wie sie nur aus den heiligen Hallen des Tageszeitungsfeuilletons heraus kommen kann. Was die Gags angeht, die man kommen sieht, hätte ich gerne mal eine statistische Zusammenstellung, wie viel Prozent das genau sind im Vergleich zu denen, die man nicht sieht. Manche Gags werden ja nicht schlechter, wenn man sie kommen sieht. Und wenn ich mal das berühmte Bananenschalen-Beispiel bemühen darf: Sie werden sogar besser aufgrund der Vorschadenfreude. Originalität schadet natürlich recht selten, und deswegen bin ich trotz Bananenschalenfaktor stets um sie bemüht.

Sie beschreiben in Ihren Büchern auch ein bestimmtes Milieu, das Soziologen nicht uninteressant finden dürften: den ewig Jugendlichen. Er schlägt sich mit Beziehungsproblemen herum und weigert sich, eine Familie zu gründen. Frauen erkennen in diesem Typen ihren Freund, Männer sich selbst. Liegt darin der Erfolg Ihrer Bücher?

Jaud: Eine schöne Beschreibung, der ich verführt bin, komplett zuzustimmen.

Gehört zu Ihrer Romanfigur Spießigkeit?

Jaud: In jedem Fall. "Resturlaub" zum Beispiel ist im Grunde genommen ein recht spießiger Roman, die gedruckte XXL-Fassung von "Ich war noch niemals in New York". Bei "Überman" freilich sieht es ein wenig anders aus.

Jedes Ihrer Bücher war ein riesiger Verkaufserfolg. Das ist verführerisch, denn es könnte jetzt ewig so weitergehen: Der Leser könnte zusammen mit Ihrem Erzähler-Ich alt werden. Wollen Sie das?

Jaud: Kein guter Plan. Lieber entwickle ich mich mit meinen Lesern weiter und probiere neue Dinge aus. Wenn ich einen sicheren Verkaufserfolg hätte haben wollen, hätte ich sicher eine Fortsetzung von "Hummeldumm" geschrieben. Aber Lust hatte ich auf was anderes - und dann hab ich Gott sei Dank einen Verlag, der mich schreiben lässt, was ich will und wann ich es will.

Welchen Ehrgeiz haben Sie beim Schreiben noch? Irgendwann vielleicht auch mal einen literarischen?

Jaud: Eher wird Griechenland Export-Weltmeister, als dass ich das Feuilleton durch mein literarisches Können überzeuge. Will ich aber auch gar nicht. Mein Ehrgeiz geht eher in die Richtung, mal wieder was anderes zu machen, es locken Filme, die vorher keine Bücher waren, Fernseh-Comedy, es lockt das Web, das Sachbuch und noch viel mehr.

Wie sähe denn ein Buch aus, das nicht unbedingt von Ihrem Alter Ego handelt? Welche Themen kommen da noch auf Sie und uns zu?

Jaud: Unfassbar viele Themen, lassen Sie sich überraschen.

Jetzt sind Sie erst mal noch auf Lesereise. Genießen Sie das Bad in der großen Menge Ihrer Fans?

Jaud: Ein Freund von mir hat mal gesagt: "Wer den Arsch aus dem Fenster hält, muss damit rechnen, dass er geküsst wird!" Oder eben, es tritt jemand rein.

Tommy Jaud liest als Gast der Buchhandlung Heymann am 19. November aus "Überman", Kampnagel, Jarrestr. 20, Beginn: 20 Uhr, Eintritt: 12 €. Tickets überall bei Heymann, Telefon: 48 09 30

Tommy Jaud: "Überman". Scherz Verlag. 368 S., 16,99 €