Heute beginnt das 6. Hamburger Krimifestival auf Kampnagel. An fünf Tagen lesen fast 30 Autorinnen und Autoren

Kampnagel. Es geht immer gleich los, oft schon auf der ersten Seite. Ohne langes Vorgeplänkel liegt der Gastrokritiker mit dem Gesicht im Hummersüppchen. Der Yorkshireterrier zerrt die Frauenleiche aus dem stillgelegten Biotop. Dartpfeile bohren sich in das Abschlussballfoto des (späteren) Opfers. Krimileser sind Puzzlefreunde. Wühlen sich durch ein Labyrinth aus falschen Fährten und Fallstricken, bis sich am Ende alle Steinchen zusammenfügen. Noch wichtiger: Kriminalromane sind Literatur mit Suchtpotenzial, immer mehr Leser greifen nach den gern mal ziegelsteindicken Büchern. Auf rund 1500 Neuerscheinungen bringt es das Krimi-Genre jährlich, schätzt Lars Schafft von krimicouch.de, dem wichtigsten deutschsprachigen Portal für Kriminalliteratur.

Kein Wunder, dass Krimifestivals sich zu Events auswachsen und die Autoren der Spannungsschmöker wie Popstars gefeiert werden. Das heute beginnende Hamburger Krimifestival (veranstaltet von Buchhandlung Heymann, Literaturhaus und Abendblatt) bringt einige der größten Könner auf diesem Gebiet zusammen. Den amerikanischen Autor Don Winslow etwa (liest Freitag, 2.11.), ein cooler Hund, der waffenscheinpflichtige Dialoge schreibt. Oder die irische Schriftstellerin Tana French (liest Freitag, 2.11.), die als Shootingstar der Branche gefeiert wird und mit "Schattenstill" die Latte für anspruchsvolle Krimis ein ganzes Stück nach oben verschiebt. Leider musste French ihre Lesung aufgrund einer Erkrankung absagen. Arne Dahl, einer der profiliertesten skandinavischen Autoren, hat sich in seinem neuen Roman "Gier", den er am Mittwoch, 31. Oktober, dem Publikum präsentiert, auf das Terrain des Politthrillers vorgewagt. Den Festivalauftakt machen heute Abend der deutsche Bestsellerautor Sebastian Fitzek und der Rechtsmediziner Michael Tsokos, die in "Abgeschnitten" von grausigen Begebenheiten in einer Inselklinik auf Helgoland erzählen.

Kaum ein Buch, das nach ebenso verlässlichen Kriterien funktioniert wie der Kriminalroman. Das Grundmuster ist denkbar trivial: Ein Detektiv steht vor einem Rätsel und will, soll, muss es lösen. Gleichzeitig ist kein Genre ähnlich breit gefächert: Der Krimi meint Lektüre vom luftig-lockeren Heimatroman bis zum blutbesudelten Skandinavienschocker. Vom Mord in der Bibliothek bis zur Serienkillertat in der Plattenbausiedlung. Der Krimi-Stempel ist längst mehr Verkaufsargument als Orientierungshilfe für den persönlichen Lesegeschmack. Wer sich auf das Genre einlässt, findet bis zur Temperaturanzeige auf dem Thermometer und der Krawattenfarbe des Detektivs den maßgeschneiderten Kriminalroman. Ob Tag oder Nacht, Nord oder Süd, Geschäftsstraße oder Hinterhof - die literarische Welt ist voller Morde.

So vielfältig ist auch das Programm des Hamburger Krimifestivals: Nele Neuhaus, die dem deutschen Kriminalroman mit ihren Mordgeschichten aus dem Taunus zu neuen Höhenflügen verholfen hat, erzählt in ihrem aktuellen Werk "Böser Wolf" (Lesung Donnerstag, 1.11.) von einer aus einem Kinderdorf entflohenen 16-Jährigen, die tot aufgefunden wird. Ein Lokalkrimi, der über den Tellerrand der Region hinausschaut. Anders "Eisnattern" von der Hamburger Autorin Simone Buchholz um die unkonventionelle Staatsanwältin Chastity Riley (Lesung Sonnabend, 3.11.). Buchholz schickt ihre Ermittlerin quer durchs Karolinenviertel, hinein in die Bars und hinaus auf die Straßen. So viel pure Hamburgliebe war selten in einem Kriminalroman. Mit "Fünf Freunde erforschen einen seltsamen Leuchtturm" wagt sich das Festival erneut an das beim Publikum bewährte Live-Hörspiel. Am Sonnabend, 3. November, stehen die Sprecher der Enid-Blyton-Serie erstmals gemeinsam auf der Bühne, taumeln durch Seenot und Nebelfelder, Überraschungsmomente inklusive.

Die Schriftstellerin Elfriede Jelinek sagte einst von sich selbst, sie verstehe sich "mit Leuten, die Krimis lesen, besser als mit allen anderen. Das ist schon fast eine Lebensregel." Zeit, diese Regel einmal wieder zu überprüfen.

6. Hamburger Krimifestival von heute an bis 3.11., Kampnagel (Bus 172, 173), Jarrestraße 20, Karten in allen Heymann-Buchhandlungen, in allen HA-Ticketshops und unter der HA-Tickethotline 30 30 98 98; www.krimifestival-hamburg.de