Das dreitägige Überjazz-Festival auf Kampnagel überzeugte aufs Allerfeinste mit zahlreichen internationalen Höhepunkten.

Hamburg. Überjazz ist ein bisschen wie Übersee - Fernweh, Aufbruch zu neuen Ufern und unbekannte Orte schwingen darin mit. Das dreitägige Festival auf Kampnagel, das gestern Abend mit dem Solokonzert des Pianisten Herbie Hancock zu Ende ging, war eine Reise in ferne Kulturen und entlegene Klangwelten. Überraschend, mitreißend, manchmal verstörend.

Star des dreitägigen Festivals war neben Hancock der Sänger Gregory Porter. Der in Los Angeles geborene Afroamerikaner ist hierzulande noch ein nahezu unbeschriebenes Blatt. Doch nach seinem mitreißenden Auftritt in der großen k6-Halle dürfte sich das bald ändern. Das Publikum feierte ihn frenetisch und riss sich später beim Plattenstand im Foyer um seine CDs. Porter ist ein Beispiel für einen Sänger, der Tradition und aufgeklärten Jazz miteinander in Einklang bringt, wenn er einerseits einen Worksong aus dem tiefen Süden anstimmt, andererseits eine Nummer wie "Black Nile" des Modern-Jazz-Saxofonisten Wayne Shorter interpretiert.

Auch ein paar Schritte weiter in der Halle k2 verbanden sich zwei Stränge afroamerikanischer Musik aufs Feinste. Das Hypnotic Brass Ensemble aus Chicago beherrscht den Bläsersound der Marching-Bands aus New Orleans aus dem Effeff, aber die neun jungen Musikanten können auch rappen. So wurde aus dem Konzert eine mitreißende Jazz-Hip-Hop-Party, bei der es nach einem langen Festivalabend niemand auf den Sitzen hielt. Das gleiche Kunststück vollbrachten am Folgeabend der aus Trinidad stammende Sänger und Poet Anthony Joseph und seine The Spasm Band. Die Soul-Funk-Combo spielte bei ihrem Hamburg-Debüt elektrisierende Grooves mit einer verblüffenden Lässigkeit, die bei schwarzen Musikern angeboren scheint. Auch der im Hip-Hop bekannt gewordene Schlagzeuger Chris Dave hinterließ angesichts seiner Trommelkünste staunende Gesichter.

Da hatten es Nordlichter wie die norwegische Sängerin Silje Nergaard und der aus Finnland stammende Trompeter Verneri Phojola deutlich schwerer. Euphorie setzen sie mit ihrer schwermütigen Musik nicht gerade frei, dennoch schenkte das Publikum auch ihnen konzentrierte Aufmerksamkeit. Verstörender war dagegen der Auftritt von Baby Dee und Little Annie. Das Zwitterwesen mit der Vogelnest-Frisur und die zarte Chanteuse dekonstruierten so manchen Song, was nicht jedermanns Sache war. Doch im Überjazz-Programm waren die beiden Diven zwei von vielen Farbtupfern.