Die Komplett-Übernahme des Hamburger Zeitschriftenhauses Gruner + Jahr durch das Medienunternehmen Bertelsmann ist gescheitert.

Hamburg. Eigentlich schien alles klar zu sein: Das Medienunternehmen Bertelsmann würde das Hamburger Zeitschriftenhaus Gruner + Jahr ("Stern", "Geo") komplett übernehmen. Schließlich hatte das "Manager Magazin" ja bereits detailliert im August über die Gespräche zwischen der Verlegerfamilie Jahr, die 25,1 Prozent der Verlagsanteile hält, und dem Konzern aus dem ostwestfälischen Gütersloh berichtet. Sie sollten "möglichst noch im Oktober" abgeschlossen werden, schrieb das Blatt. Wer sich ein wenig in Hamburger Medienkreisen umhörte, erfuhr, dass es bei den Jahrs tatsächlich eine Mehrheit für einen Verkauf gab. Insbesondere die jüngeren Familienmitglieder drängten auf einen Ausstieg. Vom 70 Jahre alten Familienoberhaupt Angelika Jahr, die dem Zeitschriftenhaus auch nach ihrem Abschied vom operativen Geschäft eng verbunden ist, kam kein Dementi. Konnte da noch was schiefgehen?

Und nun das: Gestern Vormittag meldete Bertelsmann man werde "auch in Zukunft" den Verlag gemeinsam mit den Jahrs führen. Es habe "Gespräche" mit der Verlegerfamilie "über die künftige Ausrichtung von Gruner + Jahr" gegeben. Das klingt so, als hätten die Jahrs bei einer Tasse Tee mit Bertelsmann-Chef Thomas Rabe ein wenig über die Perspektiven des Verlags geplaudert.

Etwas anders war es schon: Zwischen Verlegerfamilie und Medienkonzern gab es knallharte Verkaufsgespräche. Für ihren G+J-Anteil sollten die Jahrs eine Beteiligung an Bertelsmann von etwa fünf Prozent bekommen. Zwischendurch war auch mal von einem Anteil an der Bertelsmann-TV-Tochter RTL Group die Rede. Die Verhandlungen scheiterten, weil beide Parteien sich nicht auf den Wert des G+J-Anteils der Jahrs einigen konnten.

War es das? Möglicherweise schon. In Verlagskreisen wird spekuliert, nach dem Scheitern der Gespräche hätte Bertelsmann den Jahrs eine Erhöhung ihrer Garantieausschüttung für den Fall in Aussicht gestellt, dass Gütersloh stärker als bisher schon im Verlagshaus am Baumwall durchgreifen kann. Angeblich hat die Familie akzeptiert. Für diese Version spricht, dass der Medienkonzern nun öffentlichkeitswirksam Investitionen in Aussicht stellt: "Wir werden die starke Position von G + J im Mediengeschäft ausbauen, die Digitalisierung von Inhalten und Marken vorantreiben und die dafür notwendigen Mittel zur Verfügung stellen", verspricht Konzernchef Rabe.

Dennoch zählt der Bertelsmann-Lenker zu den Verlierern der geplatzten Übernahme. Sie ist das erste Großprojekt seiner Amtszeit, das so richtig danebengegangen ist. Besonders unangenehme Folgen dürfte das Scheitern des Deals aber für den Geschäftsführer der Jahr-Holding Winfried Steeger haben, der für die Verlegerfamilie mit Bertelsmann verhandelte. Er sei mit der Komplexität dieser Aufgabe völlig überfordert gewesen, heißt es in Verlagskreisen. Ob der Gesellschaftsrechtler, den die Jahrs erst vor anderthalb Jahren wohl im Vorgriff auf die Verkaufsgespräche mit Bertelsmann von der Kanzlei Freshfield Bruckhaus Deringer loseisten, sich auf Dauer an der Spitze der Familien-Holding halten kann, ist völlig ungewiss.

Erstes Opfer der gescheiterten Verkaufsverhandlungen war bekanntlich der einstige G+J-Chef Bernd Buchholz. Ihn allein machte das "Manager Magazin" für den schlechten Zustand des Zeitschriftenhauses verantwortlich. Als ihm nach der Veröffentlichung dieses Artikels, der von manchem G+J-Manager als "Hinrichtung erster Klasse" empfunden wurde, keiner seiner Gesellschafter zur Seite sprang, trat er von seinem Amt zurück.

Eine Gewinnerin kennt diese ansonsten eher unerfreuliche Geschichte aber auch: Sie heißt Julia Jäkel und sitzt seit Buchholz' Rücktritt im G+J-Vorstand. Große Hoffnungen, dessen Vorsitzende zu werden, darf sie sich zwar nicht machen. Offenbar will Bertelsmann diesen Posten unbesetzt lassen. Aber sie kann bestens mit Konzern-Chef Rabe. Und wie gut ihre Kontakte zu Angelika Jahr sind, weiß spätestens seit Ende März jeder in der Branche. Damals wurden ihre Zwillinge John und Ellie geboren. John und Elli hießen auch die Eltern des Oberhaupts der Jahr-Familie.