Das Lesbisch Schwule Filmfest zeigt vom 16. bis 21.10. mehr als 50 Spielfilme und Dokumentationen aus 20 Ländern.

Hamburg. "Erzähl mir etwas, das du noch nie jemandem erzählt hast", sagt ein Schulmädchen mit leiser Stimme zum anderen in Aurora Guerreros wunderbarem Liebesfilm "Mosquita y Mari", der heute auf Kampnagel das 23. Lesbisch Schwule Filmfest (LSF) eröffnet. Ein intimer Moment in einem zarten Stück Filmkunst, das von der ersten Liebe und eben auch vom Coming-out zweier 15-jähriger Latinas in Los Angeles erzählt. Beim Sundance-Festival lief "Mosquita y Mari" bereits mit großem Erfolg, nun ist er als einer von mehr als 50 Langfilmen aus 20 Ländern im LSF-Programm zu sehen.

Nur ein Höhepunkt von vielen bei einem Festival, das sich längst aus dem engen Randgruppen-Korsett befreit hat und mit immer neuen Qualitätsoffensiven auch heterosexuelle Filmfans ganz selbstverständlich in die Kinos lockt. Unvergessen etwa der Eröffnungsfilm 2010, "The Kids Are All Right" mit Annette Bening und Julianne Moore, der anschließend den Mainstream eroberte und allein in den USA mehr als 20 Millionen Dollar einspielte. Ein solch überwältigender Publikumserfolg ist in diesem Jahr wohl nicht dabei, doch ein Blick ins Programmheft lohnt unbedingt.

Etwa um die schrille Beziehungsgeschichte "Bye Bye Blondie" (19.10., 22.30 Uhr, Passage) zu entdecken, in der eine TV-Moderatorin (Emmanuelle Béart) ihre Jugendliebe (Béatrice Dalle) nach Jahrzehnten wieder aufspürt und sogar bereit ist, ihr bequemes Schein-Eheleben mit einem schwulen Schriftsteller für sie aufzugeben. Besonders sehenswert: die Rückblenden, die die beiden als junges Paar, das zusammengehört, aber nicht recht zusammenfinden kann, zeigen. Regie führte Virginie Despentes, bekannt geworden durch ihren Schocker "Baise-moi", der vor zwölf Jahren durch drastische Gewalt- und Sexszenen für Aufsehen sorgte.

Doch nicht nur Spielfilme gibt es beim LSF zu sehen, auch Dokumentationen nehmen traditionell großen Raum ein, diesmal unter dem Motto "United in Anger". Gezeigt werden Filme, die sich mit queerem Aktionismus beschäftigen, sei es zum Thema Aids oder zur staatlichen Diskriminierung etwa am Beispiel der Hamburger Partnerstadt St. Petersburg. Hier wurde in einem Aufwasch die "Propagandierung von Sodomie, Lesbianismus, Bisexualismus Transgenderismus und Pädophilie" unter Strafe gestellt. Womit unter anderem das Eintreten für die Rechte von Schwulen und Lesben als strafwürdig gilt. Gleich vier Specials beschäftigen sich mit diesem Komplex.

Und es gibt noch so viel mehr Sehenswertes, darunter eine Wiederbegegnung mit John Fords 1966 gedrehtem Klassiker "7 Frauen" (21.10., 11 Uhr, Metropolis) über die Schicksalsgemeinschaft amerikanischer Laienmissionarinnen im China der 30er-Jahre, die sich gegen eine äußere Bedrohung - angreifende Mongolen - stemmen. Oder das Familienprogramm "Family Shorts" (20.10., 13 Uhr, Metropolis), das Animationsfilme versammelt, die auch für die Kleinsten geeignet sind. Oder der mitreißende Abschlussfilm "Leave it on the Floor" (21.10., 20.15 Uhr, Passage), ein US-Musical, in dem der junge Brad nach seinem Coming-out von zu Hause ausreißt und in die pulsierende Ballroom-Szene von Los Angeles gerät. Schrille Kostüme, High Heels und ganz viel Musik: Da ist der Publikumserfolg programmiert.

Insgesamt verspricht das LSF 2012 einen bunten Mix aus ernst und komisch, aus schrill und dezent, der die Vielfalt der queeren Szene gut abbildet. Und der keinen Zweifel daran lässt, dass erfolgreiche TV-Serien wie "The L-Word", "Queer As Folk" oder zuletzt "Modern Family", die die lesbisch-schwule Klientel fest im Blick haben, nur die kommerzielle Spitze eines kreativen Eisbergs sind.

23. Lesbisch Schwule Filmtage bis 21.10. im Metropolis, Passage, B-Movie; www.lsf-hamburg.de