Klaus J. Behrendt spielt in dem Drama “Jahr des Drachen“ einen Geschäftsmann, der sich nach einer zweiten Chance im Leben sehnt.

Thomas Eichner wirkt etwas verloren. Der deutsche Geschäftsmann steht vor einem Saigoner Hotel und wartet auf seinen Fahrer. Man sieht in seinem Gesicht, wie die Anspannung sich löst, als Phan Hung (Yung Ngo) endlich auftaucht und mit ihm in einem nahezu akzentfreien Deutsch spricht. Mit Stolz erklärt der junge Mann seinem Gast aus Deutschland, dass es in Saigon sechs Millionen Mopeds bei zwölf Millionen Einwohnern gibt und wie positiv die Stadt sich nach dem Ende des Krieges gegen die Amerikaner entwickelt hat. Eichner (Klaus J. Behrendt) betrachtet das Gewimmel auf den Straßen aus der Sicherheit seiner Limousine mit einer Mischung aus Neugier und Distanz. Er fühlt sich fremd in der vietnamesischen Metropole.

Ebenso naiv folgt er seinen Gastgebern später in einen Klub, in dem hübsche junge Frauen versuchen, den Männern jeden Wunsch zu erfüllen und in denen die Cocktails Namen wie "B52" tragen, einem Flugzeugtyp, mit denen die Amerikaner das Land in den 70er-Jahren bombardiert haben. Eichner nimmt nach vielen "B52s" eine dieser Frauen mit in sein Hotel und wundert sich, dass die Begegnung mit Huong (Nina Liu) von seinen Geschäftspartnern arrangiert und bezahlt worden ist. Doch die schöne, sanfte Frau hat es dem 50-Jährigen angetan. Sie kreist in seinen Gedanken, als er nach Deutschland zurückkehrt - wo ihn seine krebskranke Frau Maren (Karoline Eichhorn) und sein ihm immer fremder werdender Sohn Daniel (Florian Bartholomäi) erwarten. Als Eichner zu Vertragsverhandlungen erneut nach Vietnam fliegt, trifft er Huong wieder. Die Liebe wächst, und das Drama beginnt.

Drehbuchautor Karl-Heinz Käfer und Regisseur Torsten C. Fischer haben mit "Jahr des Drachen" - das nach dem chinesischen Kalender seit dem 23. Januar 2012 und noch bis zum 9. Februar 2013 läuft - ein Fernsehspiel geschrieben und in Szene gesetzt, dessen Struktur einfach erscheint: Älterer Mann verliebt sich in junge Frau und erkennt erst später, dass sie eine Prostituierte ist. Aber das Team, das in der Vergangenheit bereits einige "Tatort"-Folgen zusammen gedreht hat, fragt nach den Zwischentönen dieser verschiedenen Beziehungen und entwickelt ein komplexes psychologisches Figurengeflecht. Die Eheleute Eichner haben sich durch den bereits acht Jahre lang dauernden Kampf gegen den Krebs voneinander entfremdet, der Sohn leidet unter der Dominanz des Vaters, bei der Geliebten, die plötzlich in Deutschland auftaucht, wird lange nicht deutlich, ob sie einem Liebesgefühl folgt oder den Gönner finanziell ausnutzen will.

Geschickt verstricken Autor und Regisseur ihre Figuren durch ein Lügengeflecht miteinander, aus dem es schwer wird zu entkommen. Eichner will Huong anfangs weismachen, dass er erst 40 Jahre alt ist. Später stellt er sich als geschiedener Single dar. Huong weiht den Liebhaber nicht in ihre Pläne ein und gibt nicht viel von ihrer Familie preis. Eichner belügt Frau, Sohn und Geschäftspartner. Er ist ein Feigling, er möchte niemandem wehtun, doch mit jeder neuen Unwahrheit wird seine Situation komplizierter. Eichner sehnt sich nach einer zweiten Chance im Leben, doch die Basis ist brüchig. Klaus J. Behrendt spielt den Hemdenverkäufer als einen völlig überforderten Mann, der in einen Strudel von Gefühlen gerät und in jede Falle tappt, die er sich selber stellt.

Auch Nina Liu, eine in Deutschland lebende Australierin mit chinesischen Vorfahren, findet viele Zwischentöne in der Gestaltung ihrer Rolle. Ihre Huong ist keine klischeehafte, exotische Schönheit, sondern eine sehr verletzliche Frau, die sich in Europa ebenfalls wie eine Fremde vorkommt. Bei ihrer ersten Begegnung in Deutschland mit Eichner gibt es keine Umarmung. In einer späteren Szene in einem Restaurant fordert die Frau von Eichners Geschäftspartner (Jeanette Hain) ihn in Huongs Beisein auf, sie zurückzuschicken. Der Satz "Geld regelt alles!" muss der Vietnamesin wie ein Peitschenhieb vorgekommen sein.

Am Ende der bittersüßen Liebesgeschichte steht Eichner wieder in Saigon. In einem Land, das ihm auch durch die Geliebte nicht nähergekommen ist und das er nicht versteht. Er versteckt sich hinter einer Sonnenbrille, die so gar nicht zu seinem Typ passt. Die Brille ist Ausdruck seines Fremdseins.

"Jahr des Drachen" heute 20.15, ARD