In seiner ersten Theaterrolle als „der Opa” verabschiedet sich Karl Dall von seinem Kalauer-Image. Premiere am 4. Oktober im Schmidt-Theater.

Hamburg. Es ist jetzt nicht mehr lange hin bis zur Premiere, und Karl Dall meint, er habe schon ein wenig Bammel vor dem Auftritt, und weil er seine Bedenken ausnahmsweise ganz flüssig rüberbringt, ohne absichtliche Versprecher oder Hänger im Satz, nimmt man ihm dieses Eingeständnis auch sofort ab.

Am 4. Oktober um 20 Uhr wird das "Deutschland-Lid" also in einem Golf-Car auf die Bühne des Schmidt-Theaters rollen, wird einen Putter in die Hand nehmen und versuchen, einen Golfball einzulochen. Dabei wird "der Opa" zwangsläufig ins Grübeln kommen, über sein Leben, das Leben im Allgemeinen; vor allem aber über das Älterwerden, das mit so vielen existenziellen Fragen verbunden ist: Was ist, wenn mir der Arzt die blauen Pillen verschreibt? Wenn die Augen trübe werden und man plötzlich nicht mehr richtig laufen kann? Wenn die eigenen Kinder das Haus verlassen und die Enkelkinder später lieber auf den Zwutsch gehen, anstatt den Großvater zu besuchen? Wenn man unaufhaltsam der größten Gemeinheit entgegengeht, die das Leben zu bieten hat - dem Sterben, dem Tod? "Das ist dann natürlich nicht lustig", sagt Dall, "aber es ist eine große Herausforderung. Ich spiele ja quasi mich selbst. Und da ich mich auf der Zielgeraden befinde, muss ich mir nichts mehr vormachen." Altersmild hört sich anders an.

Seit 2005 hatte Dall sich ziemlich rargemacht in der drögen Welt der deutschen Fernsehunterhaltung. Er verbrachte viel Zeit mit seiner Frau in Kanada, wo seine verheiratete Tochter lebt (eine Stuntfrau), und wo er lieber einen ganzen Sommer lang mit seiner Enkelin Nelina spielte, als im "Fernsehen sporadisch rumzukäsen", als belebendes Blödelelement in irgendeiner Rateshow.

Seine eigenen Sendungen, die das Gründungsmitglied der legendären Kreuzberger Komiker-Combo "Insterburg & Co" in den 1980er- und 1990er-Jahren moderierte - "Dall As", "Jux und Dallerei", "Koffer Hoffer" und die "Karl Dall Show" - haben längst ihren Platz in der TV-Walhalla eingenommen. Seine Gäste mussten immer ordentlich einstecken (können): Dem Sänger Chris Howland beschied er beispielsweise, "er hätte lieber Platt lernen sollen statt Deutsch". Und Roland Kaiser verließ wütend seine Show, weil Dall ihn zum Auftritt mit den Worten animiert hatte, "na, dann sing schon mal, damit wir es hinter uns haben". Hinter der Bühne besann Kaiser sich jedoch eines Besseren und kehrte, wenn auch widerstrebend, zur eigenen Schlachtung zurück. Heute heißt dieses Format "Die Kurt Krömer Show".

Dalls Humor, der auch in seinen Filmen wie "Sunshine Reggae auf Ibiza" ("Besoffen ist der Film im Grunde Kult!") stets vom Überschreiten der Gürtellinie und von der Reaktion des Augenblicks lebt war und ist gewöhnungsbedürftig. Aber in jedem Fall sehr erfolgreich. Überdies - und davon könnten sich wohl nicht wenige seiner legitimen und illegitimen Nachfolger auf den Comedian-Bühnen eine daumenbreite Scheibe abschneiden - verblüffte Dalls verbale Komik stets durch ihre brutale Ehrlichkeit. Die sich mitunter auch so anhören: "Humoristen sollten Eigenpersönlichkeit mitbringen ... mit ihrem eigenen Humor, ihrer Schlagfertigkeit oder ihrem Unvermögen, oder dass sie manchmal einfach im Satz hängen ... ja, bleiben ... und nicht, dass das so perfekt wie ein Tonband abläuft. Aber so ist das heute nun mal", meint er. Und vor gut eineinhalb Jahren sagte der gebürtige Ostfriese, der in Emden zur Welt kam, anlässlich seines 70. Geburtstags in einem Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt: "Ich weiß, dass mein Humor in gewissen bürgerlichen Kreisen verpönt ist, aber ich lehne es ab, einen Gefälligkeitsgrad von 99,9 Prozent abzudecken. Mit dem Gegenwind kann ich leben."

Wahrscheinlicher ist, dass Dall eine steife Brise von vorne benötigt, um zur Höchstform aufzulaufen. Diesen Sturm entfacht er jedoch am liebsten selbst. "Ich bin mir ja nicht sicher, ob ich für dieses Stück den goldenen Bimb ... äh ... das goldene Bambi kriegen werde", sagt er beim offiziellen Pressetermin für den "Opa", und Corny Littmann, der neben ihm auf der Bühne sitzt und das Ein-Mann-Stück auch inszeniert hat, lächelt glücklich in sich hinein. Später wird Littmann explizit darauf hinweisen, dass er als Regisseur besonders darauf geachtet habe, seinem Protagonisten genügend "Improvisationsinseln" zu geben.

Denn Dall, der angeblich nie mit einem mehr oder minder minutiösen Skript gearbeitet haben will, muss jetzt erstmals Scheuklappen anlegen und sich in eine feste Rahmenhandlung einfügen. Und er musste Text lernen, ziemlich viel Text sogar, den er freilich "eingedallt" habe.

Ursprünglich stammt "Der Opa" aus der Feder des isländischen Erfolgsautors Bjarni Haukur Thorsson ("Hi Dad!"). Für die deutsche Bühnenfassung habe Thorsson sich ihn regelrecht gewünscht, sagt Dall. "Das Original, "The Granddad", habe ich in isländischer Sprache gesehen und natürlich nix verstanden. Aber ich habe auch die amüsierten Reaktionen der Leute gesehen, das Lachen, das Lachen, das einem im Halse stecken bleibt und den Spielraum, den Thorsson seinem Darsteller lässt. Ganz ehrlich", und es klingt beinahe beschwörend, "es kam mir so vor, als hätte dieser Autor das Stück für mich geschrieben." Daraufhin sicherte Dall sich zunächst einmal für zwei Jahre die Rechte am "Opa". Und will nach dem hoffentlich erfolgreichen Hamburg-Gastspiel Ende Oktober auf große Deutschlandtournee gehen.

Mit der Angst vor Altersarmut hat sein spätes Theaterengagement allerdings nichts zu tun. Dall hat schließlich, ganz im Sinne eines deutschen Sicherheitsbürgers, genügend solide Werte gebunkert und auf die zumeist ruinöse Beteiligung an den in Künstlerkreisen beliebten Bauherrenmodellen verzichtet. "Doch die Urangst des freischaffenden Humoristen hat sich wahrscheinlich in meiner Hypophyse festgefressen - auch wenn ich sicherlich durchkommen würde, selbst wenn der Euro in die Grütze geht." Und dann fügt er doch noch schelmisch grinsend hinzu, dass am Ende wohl eher seine Frau Barbara den entscheidenden Impuls gegeben habe, sich auf die Theaterbühne hinauszuwagen. Weil es nämlich durchaus anstrengend sein könne, einen rastlosen Rentner um sich zu haben, der dauernd mit den Hufen scharrt und mit 71 Jahren einfach noch zu viel Energie besitzt, um lediglich edle Rotweinflaschen zu entkorken und in seinen bevorzugten Lebensmittelpunkten Harvestehude, Sylt, Kanada und Ostfriesland ansonsten das Leben eines Müßiggängers zu praktizieren.

"Ich bin ja ein altes Bühnentier", meint Dall, "und deshalb habe ich gesagt, 'jetzt oder nie'. Denn vielleicht kann ich mich mit Ihnen in ein paar Jahren schon nicht mehr so klar unterhalten. Aber wenn ich den Text vergessen sollte, wäre natürlich Schluss mit dem Theater." Das wird sich spätestens bei der Premiere zeigen - besonders an den sentimentalen Stellen.

"Der Opa" Schmidt-Theater, Premiere am 4.10., 20 Uhr, Karten unter T. 31 77 88 99