Das Streichorchester begann mit dem Residenzkünstler Jean-Guihen Queyras und Werken von Arnold Schönberg die Saison.

Hamburg. Die kleine spekulative Frechheit musste noch raus aus Jean-Guihen Queyras. Beim Einführungsgespräch zum Saisonauftakt des Ensemble Resonanz rund um Arnold Schönbergs "Verklärte Nacht" wies der Residenzkünstler des Kammerorchesters darauf hin, dass der Komponist sein spätromantisches, ursprünglich als Sextett angelegtes Frühwerk (1902) auf ein Gedicht von Richard Dehmel im reifen Alter selbst für Streichorchester gesetzt habe, zu einer Zeit, in der er sich bei seiner sonstigen Arbeit längst rigoros der Zwölftontechnik unterwarf. "Er wollte wohl doch noch einmal ein bisschen schwelgen", sagte Queyras mit spitzbübischem Lächeln.

Ob Schönberg sich mit dieser zauberhaften Musik wirklich einmal schadlos halten wollte an der Sprödigkeit des eigenen späteren Werks? Hätte er hören dürfen, wie unglaublich differenziert und fein das um einige Gäste erweiterte Ensemble Resonanz seine Partitur am Mittwoch in der Laeiszhalle spielte, mit welchem herrlichen Fin-de-siècle-Weh, er wäre womöglich posthum vom dodekaphonen Glauben abgefallen und hätte sogar seine profunde Abneigung gegen Hollywood in den Jahren seines Exils noch mal überdacht. Die ausgezeichnet präparierten Musiker schufen einen seidigen, zuallererst mit den Ohren musizierten Klang, überaus nuancenreich in den kaum zählbaren Aufwallungen und Zurücknahmen der Dynamik. Das traumhafte Zusammenspiel ließ keine Sekunde einen Dirigenten vermissen.

Im Verlauf des wie gewohnt filigran gebauten Konzertprogramms wagte Queyras den Dreisprung als Primus inter pares im Ensemble, als Solist und als Dirigent. In der "Nachtordnung" von Wolfgang Rihm nach einem Gedicht von Paul Celan sah man, wie wenig Queyras, dieser zarte, ätherisch-geistvolle Musiker, zum Kapellmeister taugt. Seine Zeichengebung wirkt so innerlich, dass sie kaum Ausdruck in seinen Bewegungen findet. Da die Resonanzler mit ihm die immer wieder ins Stocken, ins Zaudern, ins Schweigen geratende Musik sehr gründlich geprobt hatten, litt ihre Darbietung darunter nicht. Aber ein richtiger Dirigent hätte gewiss noch mehr Farbe aus diesem schattenhaften Klanggespinst herausgeholt.

Mit schlankem, etwas näselnden Ton strich Queyras auf seinem Cello das Konzert g-Moll des Wieners Mathias Georg Monn (1717-1750), wobei die Brillanz seiner Artikulation manche Intonationsunschärfe wettmachte.

Nur der Charme von Franz Schrekers kurzem Scherzo für Streichorchester, komponiert in Rückbesinnung auf vorklassische Formen, mochte sich infolge leichter Abstimmungsdifferenzen nicht so recht entfalten. Doch was zählen derlei flüchtige musikalische Schleierwölkchen; um so irisierender schien die Sternstunde der "Verklärten Nacht". Sie hätte allerdings viel mehr Bewunderer verdient gehabt.