Angelina Häntsch, Jonathan Müller und Florens Schmidt sprechen im Abendblatt vor der “Elektra“-Uraufführung am Jungen Schauspielhaus in Hamburg.

Hamburg. Das Anfängerjahr ist erfolgreich geschafft. Angelina Häntsch, Jonathan Müller und Florens Schmidt kamen 2011 neu ins Ensemble des Jungen Schauspielhauses. In Barbara Bürks "Alice im Wunderland" konnten sie Wandlungsfähigkeit, Gesang und Slapstick-Witz ausspielen, in Konradin Kunzes Inszenierung des Kriegsstücks "Verbrennungen" sich von ernsterer Seite zeigen. Im Rückblick scheinen es die drei selbst noch nicht so richtig glauben zu können, wie gut ihnen der Start gelang. Mit Nino Haratischwilis Neufassung des antiken "Elektra"-Stoffs geht es nun in die zweite Runde.

Angelina Häntsch, Jonathan Müller und Florens Schmidt kamen nicht nur zur selben Zeit nach Hamburg, sie sind auch gleich alt. 1984 war offenbar ein musisch ertragreicher Jahrgang. Gemeinsam ist ihnen ebenso, dass sie schon früh auf der Bühne standen: in der Schule oder als Statist, wie Müller bei den Luisenburg-Festspielen in seiner Heimatstadt Wunsiedel. "Da habe ich mit sechs Jahren in der 'Schatzinsel' angefangen und blieb, bis ich zwölf war. Wollte wohl schon damals zum Theater", erzählt er. Mit den anderen teilt Müller auch Erfahrungen in freien Gruppen. Florens Schmidt hat sogar eine gegründet. Am Theater Strahl in Berlin hat er mit Jugendlichen gearbeitet. Alle drei standen auch schon vor der Kamera. Häntsch gab ihr Kinodebüt in "Vier Tage im Mai", Schmidt ist in Dieter Berners "Krankheit der Jugend" zu sehen, und Müller drehte neben Eva Mattes den Bodensee-Tatort "Das schwarze Haus".

Trotz der Parallelen im Lebenslauf hat jeder seine eigene Geschichte und ein spezielles Profil. Der bodenständige, kernige Naturbursche Müller studierte auch Wald- und Forstwirtschaft, während sich Schmidt als Punk-Rocker in seiner Band Indigo erprobte und wohl deshalb seinen Auftritt als überraschend zynischer Sniper in "Verbrennungen" so überzeugend hinbekam.

"Ich kam auf Engagementssuche zum Tag der offenen Tür ins Schauspielhaus, stellte mich in einer Runde vor - und fand eine offene Tür", erzählt der Berliner, eher der sensible Typ und jugendliche Liebhaber. Er wundert sich jetzt noch über den Zufall. Müller dagegen musste sich mehrmals bewerben, seine Beharrlichkeit lohnte sich. Im Dauerbrenner "Rico, Oskar und die Tieferschatten" gab er sein Debüt. Glück muss man haben - oder Durchhaltevermögen. Und man muss als Charaktertyp ins Ensemble passen. So ergeben sich Engagements.

Auch Angelina Häntsch wollte unbedingt ans Junge Schauspielhaus. "Wir können hier völlig unterschiedliche Stoffe, Rollen und Spielweisen erproben", erklärt sie. Florens Schmidt findet: "Im kleinen Team sind wir nicht so auf einen Typ festgelegt." Wo am Jugendtheater dürfe man neben Kinderstücken auch Albert Camus oder jetzt Nino Haratischwilis "Elektra" spielen, fragt Müller. Die Autorin schrieb ihm die Rolle von Elektras Schwester Chrysothemis als Bruder Theo auf den Leib.

"Dass wir uns als Ensemble zusammensetzen und über die Stückauswahl reden, finde ich toll", betont Häntsch. Offenbar hält sich der künstlerische Leiter Klaus Schumacher, der auch die Uraufführung von "Elektra" inszeniert, an sein Prinzip: Wir haben eine Hierarchie, aber eine flache. "Klingt irgendwie nach heiler Welt, aber es ist nun mal so." Deshalb spiele zwischen den Newcomern das Konkurrenzdenken keine Rolle. "Klar, ich könnte in 'Verbrennungen' auch die Rolle von Florens spielen und er meine, aber darum bin ich nicht neidisch", bemerkt Müller. Und Häntsch zum Thema: "Bei 'Alice' hätte ich manchmal auch lieber eine lustige Figur gespielt." Aber trotzdem machte ihr die Rolle viel Spaß: "Es war eine schöne Freispielarbeit, körperlich und improvisatorisch." Außerdem entschädigt sie jetzt die dramatische Rolle der rachedurstigen Elektra am Rande des Wahnsinns.

Spielen sie anders für Jugendliche und Kinder? Verständnislose Blicke als Antwort auf eine offenbar dumme Frage. Dann Häntsch nachsichtig: "Es geht wie in jeder anderen Inszenierung darum, der Geschichte und den Figuren gerecht zu werden." Müller legt nach: "Wir spielen nicht extra 'kinderfreundlich', sondern bemühen uns um Ernsthaftigkeit und Ehrlichkeit." Häntsch wird berlinerisch direkt: "Sonst würden wir die Kinder doch verarschen, und die spüren das. Wenn wir für Fünfjährige was probieren, wie 'Die kleine Septime', überlegen wir uns natürlich, was verstehen sie und was finden sie witzig. Das muss aber nicht bedeuten, dass Erwachsene das nicht komisch finden."

Schmidt - er spielt den Orest - zieht (für alle) Bilanz: "Wir haben uns jeder in einer Spannbreite von Rollen zeigen können, mehr kann sich ein Schauspieler doch nicht wünschen." Die drei fühlen sich außerdem "wie in einer Familie" aufgehoben - und spielen nun das antike Familiendrama vor dem Hintergrund heutiger Kriege.

"Elektra" Uraufführung So 9. September, 20.00, Malersaal im Schauspielhaus, Karten unter T. 24 87 13