Die Deichtorhallen stellen die italienische Künstlerin Monica Bonvicini in der Sammlung Falckenberg jetzt erstmals als Zeichnerin vor.

Hamburg. Sie hat mit ihren Werken gern provoziert, hat überkommene Machtverhältnisse, Geschlechterrollen und soziale Befindlichkeiten attackiert und ihr Publikum lustvoll mit einer Ästhetik fasziniert oder auch verstört, die manchmal der Pornografie entlehnt war. Aber mit einem "Darkroom" hat Monica Bonvicinis Ausstellung, die die Deichtorhallen jetzt in der lichtdurchfluteten Harburger Sammlung Falckenberg unter dem etwa rätselhaften Titel "Desire Desiese Devise" zeigen, rein gar nichts zu tun. Was sich auch daraus erklärt, dass die italienische Künstlerin, die seit Langem in Berlin lebt, diesmal eine weithin unbekannte Seite ihres Schaffens offenlegt. Anfang des Jahres wurde die Schau in etwas anderer Form bereits im Städtischen Museum Abteiberg in Mönchengladbach gezeigt.

Zu sehen sind keine Installationen, sondern Zeichnungen aus den letzten 25 Jahren, insgesamt 170 Arbeiten, die 652 Blätter umfassen. Dabei handelt es sich, wie Bonvicini gestern ausdrücklich erklärte, größtenteils nicht um Skizzen, die im Schaffenszusammenhang mit ihrer bildhauerischen Arbeit entstanden sind, sondern um eigenständige Werke. Und diese zeigen eine enorme stilistische Bandbreite. Sie sind abstrakt, ornamental, oft aber auch figurativ. Wichtig ist - was bei Bonvicini nicht überrascht - das architektonische Thema, doch werden die Grundrisse, Schnitte und Perspektiven immer wieder gesprengt, werden Räume durchbrochen, werden geometrische Raster durch organische Formen, durch Figuren, Symbole konterkariert.

Kleinteilig, filigran und vom Gestus her ungewöhnlich behutsam wirken viele dieser Arbeiten, die manchmal - etwa bei der erst im vergangenen Jahr entstandenen Temperazeichnung "rage" - durch ihr großes Format eine enorme Intensität erreichen. Da gibt es unter dem Titel "NeedleKnows" gestickte Zangen aus rotem Garn auf weißem Papier, die in fünf übereinander angeordneten 20er-Reihen ein nur scheinbar gleiches Ensemble bilden, dessen einzelne Elemente auf durchaus vielfältige Weise variieren. Auch die Techniken variieren: Wenn Bonvicini zeichnet, kommen nicht nur Buntstifte, Tempera, Tusche, Sprühfarben und Kugelschreiber zum Einsatz, sondern auch Asche oder sogar Büroklammern, die ineinander verhakt sind und dadurch Formen und Strukturen ergeben.

Es gibt minimalistische Text-Bild-Kompositionen, Collagen, comicartige Motive und solche, die wie Karikaturen anmuten. Beklemmend wirkt die Temperazeichnung "Hurricane and Other Catastrophes" von 2008, die von den Zerstörungen inspiriert wurde, die der Hurrikan "Katrina" im Sommer 2005 in New Orleans angerichtet hat.

Monica Bonvicini hat man manche Etiketten umgehängt, so wurde sie immer wieder als feministische Künstlerin bezeichnet. "Aber was ist an dir eigentlich feministisch?", fragte gestern der Hausherr Harald Falckenberg die anwesende Künstlerin, um zu einer ganz anderen Deutung zu kommen. Falckenberg zog einen weiten Bogen vom 19. Jahrhundert, in dem man mit Marx an die Höherentwicklung der Geschichte geglaubt habe, zum 20. Jahrhundert, in dem es dann um die Eroberung des Raumes, aber auch um dessen Abgeschlossenheit gegangen sei. Monica Bonvicini sei, ähnlich wie der Schweizer Künstler Dieter Roth, eine Künstlerin, "die aus Systemen flieht, die Räume, durchaus auch Sprachräume, zerstört und zur Ortlosigkeit gelangt", sagte der Ausstellungsmacher und Kunstsammler. Dann schloss er auch die von ihr für die Londoner Olympiade geschaffene monumentale Skulptur "Run" ein, um schließlich zu den Zeichnungen der Ausstellung zu gelangen, in denen Bonvicini architektonische Räume dekonstruiert und aufbricht.

Monica Bonvicini hörte sich das alles freundlich und wohl auch ein wenig amüsiert an, ohne sich dazu zu erklären. Überhaupt verzichtete sie auf eine eingehende Exegese. Viele der Zeichnungen habe sie selbst seit Langem nicht mehr gesehen. Auf die Frage, warum es eine solche Ausstellung erst jetzt gibt, antwortete sie: "Ich hatte einfach Lust, die Sachen jetzt zu zeigen."

Monica Bonvicini: "Desire Desiese Devise" bis 18.11., Sammlung Falckenberg, Wilstorfer Straße 71, Anmeldung erforderlich: besuch@sammlung-falckenberg.de . oder Tel. Mo-Fr unter 040/32 50 67 62