Die großartige Hamburger Gypsy-Swing-Band Café Royal Salonorchester lädt heute Abend zum Benefizkonzert ins St.-Pauli-Theater.

St.-Pauli-Theater. Der Rhythmus des Gypsy-Swing fährt in die Beine. Bei der Gala zur Saison-Eröffnung des St.-Pauli-Theaters brachte das Café Royal Salonorchester im furiosen Finale alle Mitwirkenden der Show zum ausgelassenen Mittanzen. Heute spielt die Sinti-Band wieder auf der Kiezbühne, musiziert auch mitreißende Melodien aus der neuen CD "Schucka Ziro" ("Schöne Zeit").

Die Album-Präsentation ist zugleich ein Benefizkonzert zugunsten des Kinder-Ferienfreizeitprogramms "Lüttville" beim Dockville-Festival 2013. Die Musiker aus der Sinti-Familie Weiss aus Wilhelmsburg kooperieren mit der Hamburgischen Kulturstiftung und dem St.-Pauli-Theater. Sie spenden die Einnahmen für das seit 2009 von der Kulturstiftung unterstützte Förderprojekt in sozialen Brennpunkten. Am Programm mit Chorsingen, Kurzfilm-Kursus, Tanz- und Zirkus-Workshop beteiligten sich dieses Jahr 140 Kinder.

Vermutlich waren auch einige aus dem 500-köpfigen Weiss-Clan darunter. Denn Malen, Musizieren und Tanzen liegt den Sinti im Blut. Und sie können ein Lied über soziale Benachteiligung singen. Im vorigen Jahrhundert erduldeten und erlitten die "Zigeuner" Ausgrenzung und Verfolgung, vor allem im "Dritten Reich". Auch heute noch treffen sie bei Behörden oder Mitbürgern immer wieder auf Diskriminierung und Vorurteile. Seit 160 Jahren lebt nun die Familie Weiss in Hamburg, hat die Wohnwagen eines "fahrenden Volks" längst gegen eine feste Bleibe getauscht. Ernst Weiss, von den Nationalsozialisten als Zwangsarbeiter inhaftiert und über 80-jähriges Oberhaupt seiner Sippe, sowie die weit verzweigte Familie fanden in für sie konzipierten Reihenhäusern am Georgswerder Ring, aber auch auf der Elbinsel Wilhelmsburg ein Zuhause.

Als "Djangos Erben" - nicht etwa des ballernden Titelhelden aus Sergio Corbuccis Spaghetti-Western, sondern der Swing-Giganten Django Reinhardt und Stéphane Grappelli - porträtierte Suzan Sekerci in ihrer mehrfach ausgezeichneten Filmdokumentation die Weiss-Familie. Ihre Beobachtungen mit der Kamera vermitteln ein differenziertes Bild der Roma-und-Sinti-Kultur, aber auch der zunehmenden Konflikte der jungen Generation zwischen moderner Welt und strenger Tradition.

Unter Sinti gilt der Gitarrist Django Reinhardt als eine Art Idol und Botschafter, der ihnen eine bestimmte Art zu musizieren und damit auch eine künstlerische Identität geschenkt hat: den in Frankreich entstandenen Sinti-Jazz. Er entwickelte sich aus der Swing-Artikulation der Musette-Walzer, die in den 1930er-Jahren Reinhardt und der Teufelsgeiger Grappelli - zuerst im Duett und später dann in der klassischen Quintett-Formation des Hot Clubs de France - verbreiteten und weltberühmt machten.

Supermusikalische Mitglieder der Familie Weiss und der Gitarrist Clemens Rating gründeten 2005 das Café Royal Salonorchester. Drei Generationen sind in der Band vereint: Von den Senioren Bummel Weiss - er spielt die sirrende Swing-Geige -, PelloWeiss (Viola) und Baro Kako Weiss (Akkordeon und Jazzpiano) über Rating (Gitarre), Kako Weiss (Saxofon) und Gerd Bauder (Kontrabass) bis zum jüngsten Mitglied, der Sängerin Melody Weiss, die mittlerweile auch mit eigenem Ensemble auftritt. Die Gruppe gibt in wechselnder Besetzung Konzerte in Hamburg und im Umland, geht aber auch auf Tour, gastiert bei verschiedenen Festivals - und hat sogar ein eigenes gegründet: Seit vier Jahren lädt die Band im März zum Elbinsel-Gypsy-Festival und bringt nicht nur die eingeschworene Familien- und Fan-Gemeinde im Bürgerhaus Wilhelmsburg zum Tanzen.

Anfangs noch dem Vorbild Django und seinem "Zigeunerswing" treu verpflichtet, erweiterte das Salonorchester bald seine musikalische Farbpalette um feurigen Csardas, rhythmischen Jazz und süffige Kaffeehausmusik.

Eine "Schöne Zeit" verspricht denn auch das neue Album mit ungarischem Tanz und Bolero, mit französischen Volksliedern wie "J'attendrai", der "Kaffeehausmusik in C" oder "My Foolish Heart" und Fats Wallers Swing-Klassiker "Ain't Misbehavin'". Nicht nur mit diesen Nummern wird die Sinti-Band im Livekonzert das St.-Pauli-Theater swingen.

"Schucka Ziro" Benefizkonzert des Café Royal Salonorchesters, heute, 20.00; St.-Pauli-Theater (S Reeperbahn); Spielbudenplatz 29, Karten zu 25,- unter T. 47 11 06 66

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