Unverständnis für das Aus von Hartmut Cyriacks und Peter Nissen, die nicht mehr Sprecher der plattdeutschen Nachrichten auf 90,3 sein dürfen.

Hamburg. Es klingt platt. Und heißt auf Hochdeutsch "ausgemustert": "Utmustert" hatten Hartmut Cyriacks, 57, und Peter Nissen, 55, ihre Übersetzung von Arthur Millers Drama "Tod eines Handlungsreisenden" genannt, die sie zur 100. Jubiläumsspiezeit für das Ohnsorg-Theater geschrieben haben.

Schreiben können die beiden Autoren auch weiterhin. Dafür treffen sie sich fast täglich in ihrer Textmanufaktur im Hamburg-Ottensen. Nur mit dem Sprechen - dienstlich versteht sich - fällt das zurzeit etwas schwer. Seitdem ihnen von Plattdeutsch-Redakteur Gerd Spiekermann auf Geheiß von NDR-Landesfunkhausdirektorin und Programmchefin Sabine Rossbach mitgeteilt wurde, ihre Stimmen seien angeblich zu alt, dürfen sie die von ihnen 1994 entwickelten "Nochrichten op Platt" um 8.30 Uhr auf NDR 90,3 nicht mehr präsentieren.

"Es gibt doch Sendungen für die junge Generation. Weshalb lässt man uns 'Alten' nicht die vertrauten Stimmen?" So reagierte einer von vielen empörten Hörern, die am Sonnabend im Abendblatt von der Absetzung der Sprecher erfuhren. "Warum werden ältere Menschen mit ihrer etwas veränderten Stimme ausgegrenzt? Sie sind Teil und Spiegelbild unserer Gesellschaft", ärgerte sich ein anderer Leser und 90,3-Hörer. Der NDR teilt die Aufregung nicht: "Die Redaktion möchte mehr und jüngere Stimmen dabeihaben. Beim Plattdeutschen gibt es eine große regionale Bandbreite, die für eine Ausweitung des Teams spricht. Und das Plattdeutsche ist eine lebendige Sprache und nicht allein älteren Jahrgängen vorbehalten. In den Gesprächen mit Hartmut Cyriacks und Peter Nissen ging es vor allem ums Thema Verständlichkeit der Präsentation. Von 'hohem Alter' war nicht die Rede - das träfe auf die beiden nicht zu", so die Pressestelle.

Bei Cyriacks und Nissen überwiegt (noch) die Trauer, jedoch kein Gram: "Das ist, als ob man uns nach 18 Jahren das Kind weggenommen hat. Es ist halt unser Baby", sagt Cyriacks. Über die Art der Präsentation sei mit ihnen nicht gesprochen worden. "Wir haben uns immer bemüht, eine seriöse Nachrichtensendung zu machen, weil das Plattdeutsche ja meistens nur für das Amüsante steht", sagt Cyriacks.

Fest steht: NDR 90,3 strebt eine deutliche Verjüngung der Stammhörerschaft an. In der Hamburger Radiobranche ist man sich sicher: Die Änderung des Musikprogramms, die Abkehr vom Schlager und nun die Ausmusterung von Cyriacks und Nissen ist erst der Anfang. Ob es dagegen zielführend ist, ältere Sprecher und Moderatoren durch jüngere zu ersetzen, bezweifeln Insider. John Ment etwa ist bei Radio Hamburg seit 25 Jahren auf Sendung - und nicht etwa der Moderator hat gewechselt, sondern das Umfeld, das Format ist mit der Zeit gegangen.

Während beim NDR mancher Mittfünfziger, dessen Rahmenvertrag als sogenannter fester Freier nach 15 Jahren ausläuft, auf der Straße steht, sind andere, die das Rentenalter längst erreicht haben, weiterhin oder wieder auf Sendung: Carlo von Tiedemann ist auch mit 68 Jahren wie eh und je der Mittags-Moderator von 90,3. Der einstige NDR-2-Smartie Lutz Ackermann ("Sweet, soft and lazy") hat nach seiner Pensionierung als Musik- und Unterhaltungschef bei NDR 1 Niedersachsen mit seinem Lieblingsformat am Sonntagabend in Hamburg ein Comeback gefeiert. Und der langjährige NDR-Sprecher Alfred Rücker, 67, ist außer im ARD-"Morgenmagazin" mit seiner seriös-sonoren Stimme sowohl morgens bei NDR Info als auch nach 22 Uhr in der gemeinsamen Nachtschiene der NDR-Landesfunkhäuser zu erleben.

Auch Cyriacks und Nissen hören diese Kollegen durchaus gern. Gestern hatten die beiden Autoren dafür indes kein Ohr: Die Dramaturgen waren zum Jour fixe beim Ohnsorg-Intendanten Christian Seeler. Nach "De lütte Horrorladen", ihrer gelungenen Übersetzung des Musical-Hits "The Little Horrorshop", kommt am Heidi-Kabel-Platz im Oktober ihre plattdeutsche Fassung von Tschechows "Onkel Wanja" (Regie: Michael Bogdanov) heraus. Und wie rät doch die alte Amme Marina in dem Drama so schön: Gegen Kummer hilft Lindenblütentee.

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