Die 5. Französischen Filmtage in Hamburg zeigen von Freitag an im Metropolis-Kino Sternstunden der aktuellen französischen Kinokunst.

Metropolis. Jeder Mensch braucht einen Platz im Leben. Den zu finden, fällt einigen schwerer als anderen. Louise Wimmer etwa, die im Wartestand für eine Sozialwohnung in einem Auto lebt, als Putzfrau schuftet und versucht, sich in Zwischenräumen des Seins wie Tankstellen oder Kantinen durchzuschlagen. Oder die junge Prudence, die nach dem Tod der Mutter allein in einer Wohnung zurückbleibt und bei einer Motorradgang eine Ersatzfamilie sucht. "Trouver sa place", Seinen Platz im Leben finden, lautet das Thema der 5. Französischen Filmtage, die von heute bis zum 18. August im Metropolis-Kino zu sehen sind.

Die Suche nach einer Verortung im Leben eint die Figuren der acht Filme, allesamt Strauchelnde und Glückssucher, an denen man sich nicht sattsehen kann. Wahre Sternstunden der ambitionierten französischen Kinokunst sind darunter, die zu erleben (mit Untertiteln) sich unbedingt lohnt. Ohne dieses Festival würden sie nie den Weg in unsere Kinos finden. Ein Jammer.

Allen voran "Louise Wimmer" (3.8., 19 Uhr, 6.8., 21.15 Uhr, 7.8., 17 Uhr), Cyril Menneguns Sozialdrama, welches das Festival eröffnet. Corinne Masiero verleiht der Titelheldin, einer geschiedenen Ehefrau und Mutter, eine ergreifende Würde. Wir sehen sie, wie sie sich auf der Tankstelle wäscht, stets auf ein gepflegtes Äußeres achtet und ihren Zustand vor dem Ex-Mann, der emotionsarmen Tochter und einer wortkargen Affäre verbirgt. Das gelingt ihr mit minimaler Mimik. Nur bei den hoffnungslosen Besuchen auf dem Amt verliert sie fast die Contenance. Dass sie allen Widrigkeiten zum Trotz ihren Platz finden wird, daran besteht dennoch kaum ein Zweifel. Davon sind auch die Gelegenheitsarbeiterin Elsa (Julie Gayet) und der arbeitslose Mathieu (Denis Podalydès) in Xabi Molias "8 Fois Debout" (14.8., 19 Uhr, 15.8., 17 Uhr, 18.8., 21.15 Uhr) zunächst weit entfernt. In einem Mietshaus finden die beiden Entwurzelten beieinander so etwas wie Halt.

Der Aufruhr der Jugend ist für die meisten von uns an sich schon ein krisenhafter Zustand. Die 17-jährige Prudence in Rebecca Zlotowskis "Belle Epine" (15.8., 21.15 Uhr, 16.8., 17 Uhr, 17.8., 19 Uhr, mit englischen Untertiteln) ist, der Vater abwesend, die Mutter verstorben, auf sich allein gestellt. Äußerlich wirkt das verschlossene Mädchen scheinbar unbewegt. Doch nur scheinbar beschäftigen Prudence ausschließlich Themen wie die erste Liebe oder die Sehnsucht, bei einer Motorradclique dazuzugehören. Es sind kleine Signale, etwa wenn sie den Schmuck der Mutter trägt, die davon künden, dass der Schmerz über den Verlust tief sitzt. In der Außenseiterin Maryline glaubt sie eine Freundin zu finden. Jungdarstellerin Léa Seydoux beeindruckt in der Rolle der Heranwachsenden, für die sie verdient den César als Beste Nachwuchsdarstellerin 2011 erhielt.

Wo sich Jugendliche erst finden müssen - das betrifft auch die acht Jahre lang entführte junge Frau in Frédéric Videaus "Coming Home" (10.8., 19 Uhr, 12.8., 17 Uhr) -, bricht bei Erwachsenen mitunter eine scheinbar heile Welt auseinander. So zumindest ergeht es dem erfolgreichen Anwalt Paul Exben, gespielt von Romain Duris in Eric Lartigaus Film "Nachtblende" (6.8., 19 Uhr, 7.8., 21.15 Uhr). Nach außen scheint sein Leben ein sorgloses Glück: Erfolg im Job, daheim eine hübsche Frau und zwei brave Kinder. Bis er einen Verrat aufdeckt und ihn eine Tat aus der eigenen Umlaufbahn wirft. Ab diesem Wendepunkt nimmt der Film den Zuschauer mit auf eine Abenteuerreise, auf der sich Paul Exben als Mensch komplett neu erfinden wird - und doch zeit seines Lebens auf der Flucht bleiben wird. Die große Catherine Deneuve ist hier in einer Nebenrolle zu sehen.

Einen Platz erkämpfen müssen sich auch all jene, die ihre Heimat verlassen. Ihnen begegnen in Claudine Bories und Patrice Chagnards Dokumentation "Les Arrivants" (8.8., 19 Uhr, 9.8., 17 Uhr, 11.8., 21.15 Uhr) zwei unterschiedliche, gleichermaßen aufopferungsvolle Mitarbeiterinnen einer Behörde. Ähnlich ausgeschlossen fühlen sich drei Jugendliche aus der übel beleumundeten Vorstadt von Lille in "La Désintégration" (4.8., 19 Uhr, 5.8., 17 Uhr) von Philippe Faucon. Damit sind sie leichte Beute für Djamel, der ihre Verlorenheit für seine eigenen Zwecke nutzt.

Es steckt viel harter gesellschaftspolitischer Stoff im Festival. In der Umsetzung überwiegt jedoch nie die Schwere, sondern eine Liebe zum Leben und seiner nie endenden Hoffnung. Sie ist auch Ausdruck der Liebe zum Kino und zur Kunst des Spiels. Von der erzählt Sylvain Chomet in ihrem César- prämierten Animationsfilm "L'illusionniste" (12.8., 19 Uhr, 13.8., 19 Uhr, 14.8., 17 Uhr) nach einem Drehbuch von Jacques Tati. Der verstand sich bekanntlich auf poetische Miniaturen, wie das Leben sie mitunter schreibt. Man kann sich im Kino an ihnen einfach nicht sattsehen.

5. Französische Filmtage Fr 3.-Sa 18.8., Metropolis-Kino (U Gänsemarkt), Kleine Theaterstraße 10, Eintritt 6,-/erm. 4,-; www.metropoliskino.de