Drei Tage Musik, durchtanzte Nächte, Schlammbäder und Regenbogen. Unsere Reporter bilanzieren, für welche Bands sich das gelohnt hat.

Geheimtipp: Get Well Soon

Scheeßel. Ein Geheimtipp - und auch wieder kein Geheimtipp. Denn ein Kritikerliebling ist Konstantin Gropper mit seinem Musikprojekt Get Well Soon längst. Auf der Zeltbühne bewies der Wahl-Berliner, der an der Mannheimer Popakademie studierte, dass er mit seinem emotionalen Indie-Rock zu bewegen versteht. Der 26-Jährige hat eine Reife in seiner Stimme, die viele ältere Kollegen mit Neid erfüllen dürfte. Die Arrangements an Gitarre und E-Geige sind fein justiert und dennoch mitreißend.

Beste Coverversion: Ben Harper

Die meiste Zeit spielte der kalifornische Songwriter Ben Harper seine Slide-Gitarre zwar im Sitzen, dennoch gehörte er zusammen mit seiner Band Relentless7 zu den fleißigsten Griffbrett-Virtuosen des Festivals - und präsentierte als beste Hurricane-Coverversion eine kraftvolle Interpretation des Led-Zeppelin-Klassikers "Good Times, Bad Times". Der Höhepunkt eines insgesamt soliden Auftritts.

Größter Festivalhit: Kings Of Leon

Eine Combo, die einen Song mit dem Titel "Sex On Fire" im Repertoire hat, der zudem noch erhöhten Mitgrölfaktor besitzt, hat relativ leichtes Spiel als Anwärter auf den größten Festivalhit. "Sorry, wir sind nur eine einfache Rock'n'-Roll-Band, aber wir wollen euer Blut in Wallung bringen", erklärte Caleb Followill, Sänger und Gitarrist der US-Band Kings Of Leon, pustete sich in der kalten Luft die Finger warm und bretterte konzentriert seinen Indie-Ohrwurm in den Nachthimmel.

Krawalligstes Konzert: Eagles Of Death Metal

"I Wanna Be In L.A." dürften sich Jesse "The Devil" Hughes und seine Jungs von den Eagles Of Death Metal aus Palm Desert gedacht haben, schließlich herrschte beim Hurricane Festival kaum das für die Band gewohnte Wüstenklima. Hughes, dieses mit Testosteron bis zum Sonnenbrillenrand abgefüllte, charmant-prollige Rock-Viech, war trotzdem heiß. Heiß auf die Ladys in den ersten Reihen, heiß auf staubtrockenen Rock 'n' Roll und heiß auf das Anrecht, neben den Punk-Landsmännern Anti-Flag die "krawalligste Band" zu sein.

Friedlichstes Konzert: Joshua Radin

"Ich hoffe, ihr könnt mich hören", sagte Joshua Radin immer wieder - und lugte mit seinen dunklen Augen skeptisch unterm Hut hervor. "Ja, ja", riefen die Fans zurück. Denn trotz Seitenbeschallung von den anderen Bühnen konnte der "Whisper Rock" des charmanten Amerikaners im Zelt die Herzen der andächtig lauschenden Zuhörer zutiefst rühren. "All You Have To Do Is Cry", sang der 34-Jährige mit sanfter Stimme zur zart gepickten Gitarre - und auffällig viele junge Anhänger sangen jede Zeile mit seligem Gesichtsausdruck mit.

Bester Hamburger Act: Nneka

Nicht nur dank ihrer opulenten Frisur und einer sehenswerten Lichtshow hinterließ die Hamburger Sängerin Nneka bleibende Eindrücke: Ihre Stimme war vor allem im Vergleich mit Stars wie Duffy die stärkste des Festivals. Nach einigen lästigen technischen Störungen saßen am Ende jeder Ton und jede Geste der Künstlerin mit nigerianischen Wurzeln. Soul für die Seele und die Sinne.

Höchster Partyfaktor: Gogol Bordello

Wenn man bei einer Band nicht stehen bleiben kann, weil man sonst schlichtweg umgetanzt wird, ist der Titel für den höchsten Partyfaktor garantiert: Das New Yorker Septett Gogol Bordello um Sänger und Gitarrist Eugene Hütz - ein sehniger Typ mit nacktem Oberkörper, langem Haar und Riesen-Schnauzbart - stürmte mit seinem Gypsy-Punk am Sonntag die Hauptbühne. Wilde E-Geige, euphorisches Akkordeon und zwei Sängerinnen in weiß-silbernen Flatter-Outfits regten die Menge in der Nachmittagssonne zu Reihentänzen, Klatsch- und Gesangsorgien an.

Top: Franz Ferdinand

Klatschende Hände, so weit das Auge reicht, eine bestens aufgelegte Band und Hit an Hit: Viel mehr als Franz Ferdinand braucht man nicht für ein denkwürdiges Hurricane Erlebnis. Ob ältere Songs wie "The Dark Of The Matinee" und "Take Me Out" oder das neue "Ulysses" gespielt wurden, spielte keine Rolle. Die schottische Band um Sänger Alex Kapranos schaffte es mit sympathischer Lässigkeit, ihren Auftritt beim Hurricane Festival 2004 noch zu übertreffen. Ein Konsens-Konzert sowohl für im Bühnenbereich tanzende als auch hinten am Bier nippende Fans.

Flop: Duffy

Dass ihr Hit "Mercy" stark wie ein Plagiat der Amy-Winehouse-Vorlage "Rehab" klingt, ist nicht unbedingt die Schuld der walisischen Charts-Stürmerin Duffy. Aber mehr als netter Radio-Soul-Pop und ansehnliche Hot-Pants ist auch bei viel Wohlwollen nicht im Publikum angekommen. Vielleicht ist Duffys Sound und Ausstrahlung eher für einen Klub als für ein Festival gemacht - im Klub würde sie auch nicht so frieren.

Das Videotagebuch von Birgit Reuther Tino Lange gibt's unter www.abend-blatt.de/hurricane