Die vom Abendblatt angestoßene Diskussion hat den Nerv vieler Hamburger getroffen - und Gegenwehr bewirkt. Sie muss jetzt weitergehen.

Hamburg. Die Haushaltsklausur des Hamburger Senats ist zu Ende gegangen, ohne dass konkrete Einsparbeträge verteilt wurden. Auch nicht für den Kultur-Etat. Das sollte kein Grund zu voreiliger Freude sein. Denn es bedeutet einerseits: Die Zeit der Unsicherheit, ob, wie viel und was gespart werden muss, dauert an. Es heißt aber auch: Es bleibt mehr Zeit für gute Argumente gegen eine Kürzung des Kulturhaushalts - die Debatte darüber, vor zwei Wochen angestoßen und dokumentiert vom Hamburger Abendblatt, kann also weitergehen.

Sie muss weitergehen. Denn sie ist das greifbarste und bisher positivste Ergebnis der aktuellen Spardebatte: diese öffentliche, vielstimmige, leidenschaftliche, harte, aber sachlich geführte Auseinandersetzung über den Wert, den eine Stadt wie Hamburg ihrer Kultur zumisst. Und darüber, was Kultur für die Zukunft der Menschen in dieser Stadt bedeutet.

Selten zuvor haben sich so viele Leiter von Kulturinstitutionen zu Wort gemeldet: Bücherhallen, Orchestervorstand der Philharmoniker, Kulturstiftung, die Intendanten von Thalia-Theater und Schauspielhaus, Freundes- und Förderkreise der Theater und Museen, Chefs von Festivals und kleinen Theatern, Landesmusikrat, Literaturhaus und die Künstler aus dem Gängeviertel. Sie alle haben nicht länger wie das Kaninchen auf die Sparschlange gestarrt und still gehofft, es möge bitte das Nachbarkaninchen treffen.

Ihre Argumente sind bunt und vielfältig: Sie reichen von der beredten Klage über selbstausbeuterische Arbeitsverhältnisse über die Sorge um den Zugang aller zur Kultur bis zur Warnung vor einem Systemwechsel hin zur unterstützungslosen, neoliberalen Selbstversorgung, der für die Kultur und ihre utopischen Impulse verheerend wäre.

Die öffentliche Gegenwehr gegen die Sparabsichten ist ein Aufschrei mit dem Rücken an der Wand. Sie ist aber auch Zeichen eines wachsenden Selbstbewusstseins. Eines Selbstbewusstseins, wie es auch in der Auseinandersetzung um die Reste des Gängeviertels zu spüren ist. Wo intelligent, mutig, im Namen der Kultur und eines menschlichen Miteinanders von Künstlern in die Entwicklung unserer Stadt eingegriffen wird. Um städtebauliche Einöde und Geschichtslosigkeit zu verhindern und den Primat des allein selig machenden Profits infrage zu stellen.

Die Anfangserfolge der Gängeviertel-Besetzer wie der Kulturetat-Verteidiger liegen darin, den Nerv vieler Hamburger getroffen zu haben und zu artikulieren, was viele denken.

Dass die Vorstellung vom Wert der Hamburger Kultur noch tiefere und festere Wurzeln hat, beweisen zwei weitere Tatsachen: In der Spar-Diskussion wurde, anders als früher, beim Stichwort "Sparen" kaum noch reflexartig der Baustopp für die Elbphilharmonie gefordert. Das könnte darauf hinweisen, dass die Verbindung von Kulturort und Wahrzeichen, dass die selbstbewusste Verankerung von Kultur in der Stadt mehr und mehr Menschen plausibel erscheint. Und dann gibt es den beherzten Vorstoß des CDU-Manns Rüdiger Kruse - immerhin finanz- (und nicht kultur-)politischer Sprecher der größeren Regierungspartei in der Bürgerschaft. Er ist in Sachen Kulturetat gar nicht zimperlich. Keine Kürzung - das wäre ihm zu wenig. Er fordert antizyklisch und mit besten Argumenten eine Aufstockung der Kulturförderung um 30 Millionen Euro. Ein Vorschlag von einer Kühnheit, von der die in jahrelangen Spardebatten zermürbten Kulturmacher lernen sollten.

Glaubt man ersten dünnen Informationen aus der Senatsklausur, ist über die Kultur dort mit deutlichem Wohlwollen gesprochen worden. Wenn da der öffentliche Rückenwind mitgeholfen hätte - es wäre ein schöner Erfolg. Ein erster, ein vorläufiger, ein ausbaufähiger.