Auf dem Open-Air-Gelände in Wilhelmsburg sorgte das angesagte Pop- und Kunstfestival 40 Jahre nach Woodstock für lässig-coole Atmosphäre.

Hamburg. Erst drei Jahre jung - und das Dockville macht von sich reden. International. "Wir haben das Festival von Television Personalities, die 2008 hier in Hamburg aufgetreten sind, als besonders charmant empfohlen bekommen", sagt Ben Goldwasser, Kopf der New Yorker Band MGMT. Und so spielte die angesagte Elektro-Rock-Combo als Headliner am Sonnabend auf dem Open-Air-Gelände in Wilhelmsburg ihr einziges Deutschlandkonzert 2009.

Der Hype und die Sonne zogen die Massen. Mit 15 000 Fans erzielte das Pop- und Kunst-Festival einen absoluten Besucherrekord - und stieß mitunter an logistische Grenzen. Lange Schlangen an Mobiltoiletten, Getränke- und Essenständen. "Ich zieh mir MGMT von weiter hinten rein, hier ist mir das zu voll", rief ein Typ seiner Clique zu. "Dazu kann man eh nicht tanzen - und die Leute warten sowieso nur auf den einen Hit."

Bei der Sache mit dem Hit sollte er recht behalten, mit der Untanzbarkeit nicht. Als als Zugabe das lässig groovende "Kids" gen Nachthimmel waberte, durchfuhr es die Menge - angeheizt durch die anrührende Performance der bunt geschminkten Lüttville-Kids, die vorab auf der Dockville-eigenen Ferienfreizeit eine Choreografie an Seifenblasen einstudiert hatten. Die Euphorie, die da aufbrandete, hatten Dockville-Gänger früherer Jahre bis dato vermisst. Die eher experimentelle Musik von MGMT ließ das Publikum eben doch nicht so in Ekstase verfallen wie der Remmidemmi-Sound von Deichkind, dem Hauptact 2008. Doch Anhänger des Parolen-Technos konnten es in der Nacht zu Sonntag noch amtlich krachen lassen.

Vor der neuen Hallenbühne, ein kleines Stück abseits des Hauptgeländes gelegen, entlud sich beim Auftritt des Münchner Anarcho-Pop-Trios Frittenbude die bei Element of Crime, MGMT und Dancing Pigeons angestaute Energie der Zuschauer in einer Eruption aus Crowdsurfing, Tanzwut und Emotionen, die in dieser Form nur "drei Flaschen Wodka und drei Flaschen Jever Fun" (Frittenbude-Gröler Rüdiger Streuner über seine Festival-Mahlzeit) wecken konnten. Wilder Exzess als Kontrast zum Tagesprogramm.

Draußen auf den Festival-Wiesen erlebten die Nachtschwärmer ihren "endless summer", als sie beseelt zur Polka der Datscha-DJs und zum Rock des Revolver Clubs an der Elbe in den Morgen hinein tanzten.

Und genau diese entspannte, hippieske Atmosphäre macht - exakt 40 Jahre nach Woodstock - nach wie vor den Charme des Dockville aus. Zwar sind die Wäldchen, die 2008 noch mit Kunst-Installationen lockten, mittlerweile zugunsten moderner Stadtentwicklung gerodet. Doch nach wie vor ließ sich beim Dockville reichlich Skurriles und Schönes bestaunen. Unter den 30 Kunst-Projekten etwa das Werk "Maske" von Andreas Otto und Andreas Stolze aus Hamburg. Je mehr da ein Boxsack beprügelt wurde, umso heftiger ertönte über Lautsprecher ein Pamphlet von Jacques Palminger. Unter den 90 Musik-Acts stach Patrick Wolf hervor, der sich wie eine Kreuzung aus David Bowie und Lady Gaga exaltiert zum Streicher-Pop wiegte. Und die Deutschpopper Element of Crime um Sänger, Trompeter und Autor Sven Regener tauchten den Sonnenuntergang in Melancholie: "Wo die Neurosen wuchern, will ich Landschaftsgärtner sein". Eine Weisheit, die bestimmt nicht stadtplanerisch gemeint ist.

Das Dockville jedenfalls wuchert weiter. Zum Glück für Hamburg. Vom 13. bis 15. August 2010 kann sich die Hansestadt im Allgemeinen - und Wilhelmsburg im Besonderen - weiter positionieren auf der internationalen Pop- und Kunstlandkarte.