Die Band Element of Crime spielt am Sonnabend beim Hamburger Dockville-Festival um 19.30 Uhr auf der Hauptbühne.

Hamburg. Das Wesentliche ist eigentlich immer ganz einfach. "Irgendwas muss man ja singen", sagt Sven Regener und fläzt sich noch ein Stückchen tiefer ins weiche Dachterrassen-Sofa. Als sei damit alles Weitere hinreichend erklärt.

Seine Songtexte, die so schnörkellos sind und doch so poetisch, so anders und doch so zwingend. Die Musik seiner Band Element of Crime, die es seit mehr als 20 Jahren gibt und die mit jedem neuen Album zugleich vertraut und ganz neu klingt. "Irgendwas muss man ja singen", sagt Regener also, "es kommt halt letztlich darauf an, dass es gut klingt", und sein Schlagzeuger Richard Pappig neben ihm nickt.

Regener gibt keine Einzelinterviews, wenn es um die Band geht. Theoretisch. Praktisch redet dann doch meistens er. Und Richard Pappig trinkt dazu einen Schluck Cola, blinzelt in die Sonne und wirft gelegentlich ein kommentierendes "Och" in den offenen Raum.

Man kann sich ganz gut vorstellen, wie ein Element-of-Crime-Song entsteht. Zuerst ist da die Musik. Alle sitzen mit ihren Gitarren zusammen, und dann, so formuliert es der Schlagzeuger, muss es "bei Sven zecken". Der gibt zu, nur bedingt teamfähig zu sein: "Das funktioniert bei uns nur anhand der Musik." Regener ist es dann, der die Bilder zu dieser Musik findet. Nie andersherum. "Einen Text vertonen, das geht beim Musikmachen nicht", sagt er bestimmt, jedes "a" klingt in seiner breiten bremerischen Diktion wie ein "ä". Musik mächen. Man kann sich als Norddeutscher leicht zu Hause fühlen in Regeners Sprache.

"Immer Da Wo Du Bist Bin Ich Nie" heißt allerdings das neue Element-of-Crime-Album, das Mitte September erscheint und auf dem Hamburger Dockville-Festival schon einmal auf seine Live-Tauglichkeit getestet wird. Schon im Titel klingt die schmerzlich-süße Melancholie an, die den Sound dieser Band ausmacht. "Soundtrack zur Tristesse", hat einmal jemand diesen typischen Element-of- Crime-Tonfall genannt. Und wieder finden sich inmitten des postpunkigen Countrystils wehmütige Mundharmonika-Einsätze, Balladen vom Verlassensein, lakonische Walzer und Sätze, die in ihrer treffenden Schlichtheit zum Einrahmen sind - wenig verwunderlich für eine Band, der es sogar gelang, einer gesichtslosen Stadt wie Delmenhorst ein poetisches Denkmal zu setzen.

"Freu dich nicht zu früh auf den Sommer, / Weihnachten ist gerade erst vorbei", heißt es diesmal in dem Song "Der weiße Hai", in dem auch Regeners neunjährige Tochter mit einer Freundin zu hören ist. Papas Achselzucken in der Stimme bricht die eigentlich fröhliche Melodie. "Dass das Bier in meiner Hand alkoholfrei ist, ist Teil einer Demonstration / gegen die Dramatisierung meiner Lebenssituation", singt Regener in "Kaffee und Karin", "Ganz egal, woran ich gerade denke / am Ende denk ich immer nur an dich" an anderer Stelle. Und man kann sich einen kleinen Sehnsuchtsseufzer nicht verkneifen.

Muss man auch nicht. Kitsch sei nämlich "sehr entscheidend" für ihn, sagt Regener. Obwohl und gerade auf Deutsch. "Wie jede gescheite Rockband spielen wir hauptsächlich Liebeslieder. Und wenn ich da nicht ,Ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich' singen kann, ist das doch eh für'n Arsch! Hab ich das erste Mal bei ,Blaulicht und Zwielicht' gemacht: ,Ja, ja, ja, ja, ich liebe dich' - und zack war die Kuh vom Eis." So einfach.

Ausgerechnet im Jahr des Mauerfalls haben die Mitglieder von Element of Crime begonnen, in ihrer Muttersprache zu singen und nicht mehr, wie zuvor, auf Englisch. Zufall, sagen sie heute: "Der Mauerfall wäre ja fast einer der Gründe gewesen, es dann doch zu lassen." Die entscheidende Frage sei eher gewesen: "Warum haben wir überhaupt je auf Englisch gesungen? Die Wahrheit ist: Um uns von der Neuen Deutschen Welle abzugrenzen. Die war damals so dermaßen grottig."

Regener grinst, runzelt die Stirn - und springt dann plötzlich und mit unvermutetem Elan auf die Füße. "Die Cola!", ruft er und zeigt auf die Fläschchen, die in einem riesigen Bottich voller Eiswürfel vor ihm stehen. "Määänsch, die wird doch obenrum ganz heiß", schnauft er und schleppt den ganzen Kübel hinter das schattigere Nachbarsofa. "Weil: Kälte zieht ja nich nach oben, näch?"

Spätestens an dieser Stelle wird deutlich: Regener ohne sein literarisches Alter Ego Herrn Lehmann zu denken ist nicht immer ganz einfach. Drei Bestseller-Romane lang hat er von seinem leicht lethargischen Protagonisten erzählt, der erste ist mit Christian Ulmen in der Titelrolle fürs Kino verfilmt worden. Das führt bisweilen zu Verwirrungen. Im Forum von Regeners Homepage hat sich kürzlich jemand gefreut, dass der Sänger "Frank Lehmann" demnächst mit Element of Crime auf Tour geht. Der Professor-Brinkmann-Effekt. Regener hat sich daran gewöhnt, persönlich nehmen will er es lieber nicht. So wenig wie den Jubel am Abend eines gelungenen Konzerts: "Ich liebe es in dem Moment", versichert er. "Aber 99 Prozent meiner Zeit mache ich was komplett anderes. Und selbst, wenn ich 800 000 Platten verkaufe, hat nur jeder 100. Deutsche eine." "Och", macht Pappig.

"Weißt du", sagt Sven Regener und lässt sich wieder tief in die Couch sinken, seine Sonnenbrille rutscht ein Stück nach vorn, und würde er nicht sprechen, könnte man glauben, er schläft. "Weißt du, es is' ja so: Am nächsten Abend sitz ich wieder zu Hause. Und was mach ich? Pell mir ein Ei." Pappig grinst. Die Sonne scheint. Das Wesentliche ist eigentlich immer ganz einfach.

Element of Crime Konzert Sa 15.8. 19.30, auf dem Dockville-Festival, Hauptbühne. Das Album "Immer Da Wo Du Bist Bin Ich Nie" erscheint am 18. September bei Vertigo/Universal.