Die BBC-Krimiserie “Death in Paradise“ ist jetzt auch hier zu sehen. Ermittler Richard Poole vermisst in der Karibik das Londoner Grau.

Im Katalog wäre die Unterkunft mit "romantisch" und "im Einklang mit der Natur" umschrieben. Die Realität hat die Anmutung einer Junggesellenbude: leere Tequilaflaschen warten auf den Transport zum Container, quer durchs Wohnzimmer wächst ein Baum, die Eidechse kommt zum Gute-Nacht-Sagen vorbei. Nur der Blick aus dem Fenster enttäuscht nicht: türkisblaues Meer, Schaumkrönchen auf den Wellen, Strand so weit das Auge reicht.

Leider gehört Detective Inspector Richard Poole zu jener seltenen Spezies, für die Strandurlaub und Sonnenschein eine Art Vorhölle der übelsten Sorte sind. Er vermisst das feste Londoner Grau seiner Heimat, die von Klimaanlagen heruntergekühlte Luft, Tee mit Sardellensandwiches am Nachmittag. Schon bevor die Fluglinie zugibt, sein Gepäck zwischen Check-in-Schalter und Gepäckband verloren zu haben, fühlt sich der Londoner Ermittler auf der (fiktiven) Karibikinsel Sainte Marie wie ein Gestrandeter. Wie ein Alien auf Erdbesuch. Dass dieser Trip mehr werden wird als nur eine Kurzvisite zur Aufklärung eines Polizistenmordes, ahnt Poole zu diesem Zeitpunkt nicht einmal.

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"Death in Paradise" heißt die gelungene BBC-Serie von Robert Thorogood, die von heute an in acht Folgen beim Spartenkanal ZDFneo zu sehen ist - dort, wo schon die amerikanischen TV-Flaggschiffe "Mad Men" und "30 Rock" liefen, die längst im DVD-Regal jedes Serienliebhabers stehen. Kultstatus wird die Krimireihe wohl nicht erlangen, unterhaltsam ist sie allemal. "Death in Paradise" mischt die Rasanz der "CSI"-Ermittlungen mit der eleganten Britishness der Inspector-Barnaby-Fälle. Der Zuschauer lernt Poole (Ben Miller) in der Pilotfolge als einen korrekten, gewissenhaften, grundsoliden Menschen kennen. Kein Langweiler, aber ein Mann, der sich immer an die Regeln hält und Formulare in dreifacher Ausfertigung schätzt. Er paart Miss-Marple-Spürsinn mit dem zynischen Tonfall, den schon Hugh Laurie als Dr. House auf den Klinikfluren pflegte. Die linkische Haltung, die auch der Anzug nur notdürftig kaschiert, erinnert an die von Profiler und Serienmordspezialist Tony Hill.

Der Fall, für den Poole eigens eingeflogen wurde, ist in der Tat rätselhaft: Ein Polizist wurde während einer Party in einem hermetisch abgeriegelten Panikraum erschossen, der sich nur von innen öffnen ließ, von der Schusswaffe fehlt jede Spur. Verdächtige gibt es jede Menge, vom Fremdgänger bis zum wütenden Kleinverbrecher; die Lösung, die sich in den letzten Minuten herauskristallisiert, ist besonders raffiniert. Pooles spätere Partnerin Camille Bordey (Sara Martins) hat in der ersten Folge "Willkommen im Paradies" lediglich ein paar hübsche Kurzauftritte. Sie war als verdeckte Ermittlerin unterwegs und belächelt den Londoner Ermittler anfangs, für den jenseits des Ärmelkanals die Welt aufhört - bis dieser eine Rekonstruktion des Tathergangs hinlegt, bei der Sherlock Holmes mit den Ohren schlackern würde.

Auf Sainte Marie (gedreht wurde auf Guadeloupe) ticken die Uhren etwas anders als im Kommissariat der Londoner Polizei. Gauner teilen sich die Zellen mit zotteligen Ziegen, zur Befragung geht es über Holperstraßen ohne Verkehrsschilder. Der Computer, der die zum Hauptquartier umfunktionierte Bretterbude schmückt, ist eine tonnenschwere Rechenmaschine in Eierschalenfarbe und gibt nur ein müdes Röcheln von sich. "Wie ist London so?", fragt die Kollegin Poole, während sie barfuß durchs kalte Türkis watet. "Laut und chaotisch - wie eine nicht enden wollende Kneipenschlägerei", antwortet dieser mit Heimweh in der Stimme. Sainte Marie dagegen ist ein nicht enden wollendes Feierabendbier. Für einen Job auf diesem palmenumkränzten Fleckchen Erde würden die meisten Menschen vermutlich ihre Reihenhaushälfte und die Rentensparbücher ihrer Kinder hergeben. Ein schlimmeres Unglück, als von einer Kokosnuss erschlagen zu werden, ist nicht vorstellbar an diesem Ort, an dem Verhöre mit Sand zwischen den Zehen geführt werden und eisgekühltes Biers Grundnahrungsmittel ist.

Dass es korrupte Beamte, Menschenhandel und Mord auch hier gibt, erfährt der mit britischem Understatement gesegnete Poole angesichts von Männern mit Goldkettchen über aufgeknöpftem Hemd und Mafiagehabe recht bald. Machen ihm zu Beginn der klebrige Schweißfilm auf der Haut und das Autowaschanlagenklima derart zu schaffen, dass Denken nicht möglich scheint, meldet sich ein paar Tage nach Ankunft das elastische Gehirn des Ermittlers zurück, der die Kollegen im Professorenduktus an seiner Kombinationsgabe teilhaben lässt. Einen wie Poole, so viel steht fest, können sie hier gut brauchen.

Dass ein Mann in den besten Jahren noch mal umsattelt, ist keine neue Geschichte. Ein Mord unter Palmen kommt darin allerdings selten vor.

"Death in Paradise - Willkommen im Paradies", Mo 30. Juli, 21.55 Uhr, ZDFneo